36 Odysseus von Jthaka.
sich alles erzählen, was sie vor Troja und auf der Heimfahrt erlebt hatten. Als
sie dann nach Hause begehrten, rüstete er ihr Schiff reichlich mit Vorräten
aus. Dem Odysseus aber gab er ein kostbares Geschenk mit: alle widrigen
Winde schloß er in einen dichten ledernen Schlauch ein, schnürte ihn fest zu
und hieß den Odysseus den Riemen erst lösen, wenn sie den Strand von
Jthaka betreten hätten. So wehten nur günstige Winde, und neun Tage
und neun Nächte saß der Held selbst am Steuer und lenkte das Schiff der
Heimat zu. Endlich, in der zehnten Nacht, sah er Jthaka vor sich liegen:
deutlich erkannte er die Heimatberge. Da entsank dem Helden das Steuer,
beruhigt schlief er ein, während ein Gefährte das Steuer führte. Aber
während er schlief, lösten die anderen den Riemen am Schlauch; denn sie
glaubten, Äolos habe ihrem Herrn große Schätze mitgegeben, und sie gönnten
ihm nicht alles allein. Alsbald aber fuhren wilde Stürme heraus, ergriffen
das unglückliche Schiff und trieben es weit fort. Wohl fuhr Odysseus
empor, aber es war zu spät; die bösen Winde waren frei, und das Schiff
trieb auf unbekannten Meeren.
3. Odysseus bei Kirke. Todmüde liefen eines Abends die See-
fahrer an einer Küste an und ruhten auf dem Strande zwei Tage und Nächte.
Sie hatten aber nichts mehr zu effeu; da schickte Odysseus einen seiner
Tapfersten mit 22 Genossen aus, um die Insel zu erforschen; doch am Abend
kam der Führer weinend allein zurück.
Sie hatten ein weißschimmerndes Hans erreicht, aus dem lieblicher Ge¬
sang ertönte. Eine holde Göttin hatte sie lächelnd eingeladen hereinzukommen,
und sie alle waren gefolgt; nur der Anführer hatte ihr mißtraut und war
draußen geblieben. Bald aber hatte er ein wildes Wehegefchrei der Freunde
gehört, und keiner war wieder herausgekommen. Da war er entflohen.
— Kaum hatte Odyffeus den Bericht gehört, da warf er fein Schwert um,
auch Bogen und Köcher, und befahl dem Freunde, ihn selbst hinzuführen.
Doch der bebte vor Angst und weigerte sich. Da ließ Odyffeus alle zurück
und ging allein den Weg; denn er wollte die gefangenen Genoffen nicht im
Stiche laffen. Wohl war das Land, durch das er wanderte, zauberisch schön:
die prachtvollen Wälder lichteten sich immer mehr, und ein weißes Haus
leuchtete ihm entgegen; aber ihm wurde unheimlich dabei, denn wilde Tiere,
Löwen und Panther und Wildschweine, schlichen umher. Sie waren ganz
zahm und schauten ihn mit großen traurigen Augen an, als wollten sie
.hn warnen. Er aber ließ sich nicht entmutigen; da erbarmten sich seiner die
Götter: plötzlich stand ein schöner Jüngling mit goldenem Stabe vor ihm,
es war der Götterbote Hermes. Der erzählte ihm, seine Gefährten feien bei
der Zauberin Kirke, der Schwester des Aeetes (vgl. S. 13), und seien alle
in Schweine verwandelt. „Gegen ihre Zauberkunst", sprach er, „hilft die
kein Mut! Aber nimm hier dieses Wundertat! Trägst du das bei dir,
so kann sie dich nicht verwandeln!" Dabei gab ihm der Gott eine kleine