Full text: Geschichte der Neuzeit (Bd. 3)

Friedrichs II. Jugend. 89 
unterricht und Andachtsübungen eingeräumt und auch zum „Nachsitzen" 
Gelegenheit gegeben. Insbesondere aber sollte der Prinz zu Mäßigkeit, 
Sparsamkeit, Fleiß und Ordnung erzogen und in ihm die Lust zum soldati¬ 
schen Beruf geweckt werden. Eber bald zeigte es sich, daß Neigungen und 
Charakter des Prinzen sich in ganz anderer Richtung entwickelten, als es 
der Vater wünschte. Der militärische Dienst war ihm zuwider,- Bücher 
und Musik gingen ihm über alles. Er legte sich von seinem Taschengeld 
eine Bibliothek an, die er in mehreren gemieteten Zimmern in der Stadt 
unterbrachte, und hielt sich heimlich einen Lehrer im Zlötenspiel. Der 
Vater war ein knapper haushalter von strengen Grundsätzen,- der Sohn 
besuchte lockere Gesellschaften und machte Schulden. (Es kam darüber wieder¬ 
holt zu heftigen Auftritten und endlich faßte der Prinz den Entschluß über 
Frankreich nach England zu entfliehen. 
Friedrichs Fluchtversuch. Bei Gelegenheit einer Reise nach Süd¬ 
deutschland, auf der er den König begleitete, gedachte er den Plan auszu¬ 
führen. Auf dem Wege nach Mannheim, in dem Dorfe Steinfurt, wo man 
übernachtete, schien die Gelegenheit günstig. Der Prinz hatte sich in frühester 
Morgenstunde wecken lassen und war schon im Begriff sich auf ein Pferd 
zu werfen, das ihm ein Page zuführte, da traten einige Offiziere dazwischen 
und nötigten den Prinzen mit Gewalt ihnen ins (Quartier zu folgen. Dem 
Körrig war der Vorfall verraten worden und ein Brief Friedrichs an seinen 
Freund, den Leutnant von Hatte, der ungenügend adressiert worden war 
und in die Hände des Königs gelangte, gab vollen Ausschluß über die Ab¬ 
sicht des Prinzen. Der Monarch ließ sich zunächst nichts merken. Als aber 
die Reisegesellschaft wieder preußisches Gebiet erreicht hatte, machte sich 
sein lang zurückgehaltener Ingrimm in einer furchtbaren Szene Luft. 
Er zückte den Degen gegen den Sohn und würde ihn durchbohrt haben, 
wenn sich nicht ein General dazwischen geworfen hätte. Mit Mühe gelang 
es den König soweit zu beruhigen, daß er sich entschied den Prinzen als 
Deserteur nach der Festung Küstrin bringen zu lassen. Katte wurde vor ein 
Kriegsgericht gestellt und wäre mit einer glimpflichen Strafe davonge¬ 
kommen ; aber der König verhängte eigenmächtig das Todesurteil über 
ihn und ließ es in Küstrin unter dem Fenster des Prinzen vollstrecken. Der 
Prinz war der Verzweiflung nahe. In dieser Stimmung zeigte er sich 
dem Zuspruch des Feldpredigers Müller zugänglich; er erkannte sein Un¬ 
recht und bat den Vater in einem reumütigen Briefe um Verzeihung. Aber 
erst, als er eidlich gelobt hatte dem König fernerhin in allen Dingen strengsten 
Gehorsam zu leisten, erhielt er die Freiheit. Er blieb zunächst noch in 
Küstrin, wo er als Rat an der neumärkischen Kammer in die Verwal¬ 
tungsgeschäfte eingeführt wurde; erst nach Jahresfrist, nachdem eine
	        
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