innersten Wesen des deutschen Volkes. Poesie und Gemüt, naive An¬
schauung, tiefinnerste Religiosität und Freude an Gottes herrlicher
Schöpfung atmet seine Kunst. Durch alle seine Arbeiten geht ein
Hauch poetischer Verklärung; wie unsere herrlichen Volkslieder
muten sie uns an.
Der schlichte, kindlich fromme Mann schreibt einmal wie ein
Künstlerbekenntnis nieder:
„Der Künstler sucht darzustellen in aller Sichtbarkeit der Men¬
schen Lust und Leid und Seligkeit, der Menschen Schwachheit und
Torheit, in allem des großen Gottes Güt’ und Herrlichkeit.“
Das ist Richters Standpunkt in seiner Kunst, den er unentwegt
festgehalten hat.
Seine lieblichen Engelgestalten, seine naiven, fröhlichen Kinder,
die schämigen, aber gesunden Mägdlein und Jungfräulein, die Mütter
im Kreise der Kinder, spinnend, belehrend oder wehrend; die Gro߬
mütter am warmen Kachelofen, den Enkeln — und es sind ihrer nie
wenige — Märchen erzählend; die Familie, um den Tisch zu Andacht
oder Mahlzeiten versammelt; Kirchgang und Hochzeit, Taufgang und
Friedhof, Abschied und Wiedersehen, Weihnachten und Ostern und
Pfingsttag, die schönsten und weihevollsten Stunden unseres deutschen
Familienlebens, unserer in der deutschen Häuslichkeit begründeten
Gemütlichkeit, im Hause und im Verkehr mit der Natur, in Feld und
Wald und Heide, bei Sonnenschein und Regen oder bei still herab¬
fallenden Schneeflocken, im Gärtchen am Hause mit seinen Rosen
und Tulpen und Nelken, am Sonntagmorgen oder beim Abendläuten
oder bei funkelndem Sternenhimmel, am schattigen Mühlbach in der
stillen Mühle oder droben im Schloß oder in der Kapelle auf sonniger
Höhe, und was er sonst in den Bereich seiner Darstellungen ziehen
mag, das alles ist durchweht von Poesie, im deutschen Gemüt wahr¬
haft begründet, aus ihm gleichsam herausgewachsen und mit kindlich
naiven Augen geschaut, alles ist durchleuchtet von einem tiefen
religiösen Gefühl.
In der Vorrede zu seinem Holzschnittwerk „Fürs Haus“ schreibt
er im Jahre 1858:
„Schon seit vielen Jahren habe ich den Wunsch mit mir herum¬
getragen, in einer Bilderreihe unser Familienleben in seinen Be¬
ziehungen zur Kirche, zum Hause und zur Natur darzustellen und
somit ein Werk ins liebe deutsche Haus zu bringen, welches im Spiegel
der Kunst jedem zeigte, was jeder einmal erlebt, der Jugend Gegen¬
wärtiges und Zukünftiges, dem Alter die Jugendheimat, den gemein¬
samen Blumen- und Paradiesesgarten, der den Samen getragen hat für
die spätere Saat und Ernte. Gelingt es nun, das Leben in Bildern
schlicht und treu, aber mit warmer Freude an den Gegenständen