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hochgesinnte Männer hervor, die im Sinne der großen Ahnen han¬
delten und im Dienste des Staates Großes leisteten, aber die meisten
jungen Adeligen waren verderbt, unsittlich und unfähig, und trotz¬
dem kamen sie an die Spitze des Staates, dem sie dann Schaden
und Schande brachten.
Die italischen Bundesgenossen, auf denen hauptsächlich die
äußere Macht Roms beruhte, waren mit vollem Rechte aufgebracht
und erbittert. Sie mußten, ohne gefragt zu werden, unaufhörlich
die größten Opfer an Geld und Blut bringen, von denen doch nur
die Römer Vorteil hatten. Von jedem römischen Bürger mußten
sie sich hochmütig behandeln lassen. Auch hatte das Land unter
Ausständen der Sklaven, die vielfach unmenschlich behandelt wurden,
viel zu leiden.
Der Wohlstand der Provinzen sank schnell. Von den römischen
Prokonsuln, die ganze Scharen von beutegierigen Anhängern mit¬
brachten, wurde alljährlich jede Provinz ausgeplündert. Aber auch
Steuern und Zölle, zu denen die Provinz verpflichtet war, wurden
in unbarmherziger Weise eingetrieben, da sie der Staat an Aktien¬
gesellschaften, die sich aus den reichsten Bürgern Roms, den Rittern,
bildeten, verpachtet hatte. Scharen von Zöllnern, die an dem
Gewinne beteiligt waren, trieben die Steuern auf unbarmherzige
Weise ein.
So herrschten Rückgang und Unzufriedenheit überall im rö¬
mischen Reiche; der sittliche Verfall, dem die römische Bürgerschaft
preisgegeben schien, ließ das gewaltige Staatsgebäude in seinen
Grundfesten wanken.
r. Die beiden Gracchen (133—121).
Da unternahm es ein hochsinniges Brüderpaar, die Gesundung
der Verhältnisse durch eine tiefgreifende Reform des Staates
herbeizuführen.
Tiberius und Gajus Gracchus entstammten einer
vornehmen plebejischen Familie, den Semproniern. Die
Mutter der Gracchen, K 0 r n e l i a , war die Tochter des älteren
Afrikanus. Sie hatte ihren hochbegabten Söhnen die sorgfältigste
Erziehung gegeben und alle hervorragenden Männer Roms in ihr
Haus gezogen, um die Gesinnung der Jünglinge günstig zu be¬
einflussen und ihre Kenntnisse zu erweitern. Stolz blickte sie auf die
schönen, begabten und tüchtigen Jünglinge, von denen man all¬
gemein Großes erwartete. Als sie einst den Besuch einer vonehmen
Dame erhielt, welche mit kostbarem Schmucke behängen war und
an sie die Bitte richtete, ihr doch ihre Schmucksachen zu zeigen,