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wies sie stolz auf ihre Söhne, die eben aus der Schule kamen, und
sagte: „Das ist mein Schmuck."
Sowie Tiberius Gracchus das Volkstribunat erhalten hatte
(133), ging er daran, den Verfall des Staates aufzuhalten. Zu¬
nächst wollte er der wirtschaftlichen Not der besitzlosen Bürger
abhelfen und sie wieder zu Grundbesitzern machen. Das konnte
nur auf Kosten der Reichen geschehen, indem man von dem Ge¬
meindegrundbesitz einen Teil dem übermäßig begünstigten Adel
abnahm und den armen Bürgern in Erbpacht überließ. Das Gesetz,
welches Tiberius vorschlug, sand daher den heftigsten Widerstand
der Aristokraten und konnte nur auf ungesetzliche und gewalttätige
Weise durchgesetzt werden. Aus Erbitterung darüber, und um die
Wiederwahl des Tiberius zu verhindern, riefen die Adeligen in
der Wahlversammlung Unruhen hervor, bei denen der edle Mann
erschlagen wurde. Doch war seine Wirksamkeit nicht vergeblich
gewesen, denn in den nächsten Jahren wurden Tausende von besitz¬
losen Bürgern infolge des Gracchifchen Gesetzes wieder fleißige und
wohlhabende Landleute.
Nach zehn Jahren nahm der begabtere, aber auch leidenschaft¬
lichere Gajns Gracchus die Pläne seines Bruders wieder auf, dessen
Tod er zugleich an den Mördern zu rächen gedachte. Er wollte den
Aristokraten die Alleinherrschaft entwinden und die Bürgerschaft
neu kräftigen. Im Besitze der Volksgunst, die er sich freilich durch
immer neue Bewilligungen aus der Staatskasse erkaufen mußte,
herrschte er über Rom in fast königlicher Art. Aber als er seinen
Plan enthüllte, den italischen Bundesgenossen, die längst schon an
Wesen und Gesinnung Römer geworden waren, das römische Bürger¬
recht zu verleihen, ging ihm die Liebe und Gunst seiner Mitbürger
verloren, die eifersüchtig ihre Vorrechte hüteten. Er ward nicht
wieder zum Tribunen gewählt, und als er, von den Adeligen schwer
bedroht, mit seinen nächsten Anhängern den Berg Aventinus be¬
setzte, ward dieser gestürmt, und Gajus Gracchus gab sich selbst den
Tod (121).
Aber sein Werk überlebte ihn; den Kampf für die Reform des
Staates, die er nicht hatte durchführen können, übernahm die
demokratische Partei oder Volkspartei, der auch tüchtige
Männer aus den vornehmsten Familien angehörten.
Zunächst freilich hatte die Aristokratie ihre Stellung behauptet
und suchte sie in rücksichtslosester Weise zu befestigen und auszu¬
nützen. , Da waren es zwei Kriege, der Jugurthinifche und
der Kimbernkrieg, deren durch die Schuld des Adels verlust¬
reicher und schimpflicher Verlauf der Kolkspartei die Aussicht er¬
öffnete, einen Wechsel der Regierung ^herbeizuführen.
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