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Schritt und unter entsetzlichem Blutvergießen konnte die unglück-
70 liche Stadt erobert werden (70); samt dem herrlichen Tempel
ging sie in Flammen auf und wurde völlig zerstört; die über¬
lebenden Inden zerstreuten sich in alle Welt. Als Titus mit acht¬
unddreißig Jahren den Thron bestieg, erwartete man von ihm,
der sich früher von Ausschweifung und Grausamkeit nicht frei ge¬
halten hatte, nichts Gutes, aber diese Besorgnisse gingen nicht in
Erfüllung. Er erwies sich als ein gewissenhafter, liebenswürdiger
und milder Fürst. Wenn er an einem Tage keine Gelegenheit
gefunden hatte, Wohltaten zu erweisen, rief er abends schmerzlich
aus: „Ich habe einen Tag vergeudet", und oft sagte er, von eines
Kaisers Throne dürfe niemand traurig hinweggehen. Die kurze
Regierung dieses edlen Herrschers wurde durch mancherlei Un¬
glücksfälle erschwert, z. B. begrub ein furchtbarer Ausbruch des
Vesuv die Städte Herkulanum und Pompeji unter einer
81 tiefen Aschenschicht. Titus starb, erst vierzig Jahre alt, im Jahre 81.
Seine Familie, die Flämischen Kaiser, die bis 96 herrschte,
vergrößerte das Römische Reich durch Einverleibung von Bri¬
tannien.
T r a j a n u s war ein geborener Spanier und schon als Staats¬
mann und Feldherr bewährt, als er durch Adoption auf den Thron
gelangte. Er erwies sich als der tüchtigste aller Kaiser. Dem Reiche
fügte er die neue Provinz D ä c i e n (das heutige Rumänien)
hinzu, auch vollendete er den Schutz des Zehntlandes (Süd¬
westdeutschland) durch den Pfahlgraben (Limes), eine
große Befestigungslinie von Kelheim an der oberen Donau bis
Andernach am Niederrhein. Seine einfache Lebensweise übte einen
günstigen Einfluß auf die verderbten Sitten der Römer aus, und
durch die Festigkeit und Gerechtigkeit feiner Regierung hielt er das
Reich in Ordnung, das nunmehr seine höchste Blüte erlebte. Leider
ordnete er eine Verfolgung der Christen an, denn ihre Weigerung,
an den Opfern für Kaiser und Reich sich zu beteiligen, hielt er für
117 ein Zeichen aufrührerischer Gesinnung. Er starb 117.
Auch unter seinen nächsten Nachfolgern Hadriänus^
Antoninus Pius und Markus Au relius (f 180)
dauerte die Blüte des Reiches fort. Da jeder von ihnen von feinem
Vorgänger adoptiert war, nennt man sie die Adoptivkaiser.
Nun folgten hundert Jahre großer Verwirrung und allge¬
meinen Niedergangs. Vom Norden brachen germanische Völker,
vom Osten die Neuperser über die Grenzen. Dazu kamen innere
Kämpfe und die Empörung der Heere, die ihre Feldherren zu
Kaisern ausriefen. Darnach bezeichnet man die zahlreichen Kaiser
dieser schlimmen Zeit als Soldatenkaiser.
Diokletianus war der Wiederhersteller des Reichs. Er
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