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sanges und der Instrumentalbegleitung, wie denn die Griechen überhaupt
zu allen Zeiten der Musik einen großen Einfluß auf die Seele des
Menschen zuschrieben und der Meinung waren, daß das Maß und die
Harmonie der Töne im Stande sei, ihr innerliches Gleichgewicht auf die
Menschen überzutragen. Platon hat es ausgesprochen, daß die Musik
Kraft habe, die menschliche Seele richtig zu stimmen; so ward sie denn
auch die erste Bildnerin der griechischen Jugend. Anstatt reügroser
Glaubenssätze für Gedanken und Begriffsvermögen wußte man den helle¬
nischen Kindern durch die heilig geachtete Kunst das lebendige Gefühl, dre
Stimmung der Andacht, der Scheu und Ehrfurcht vor dem Himmlischen
in's Herz zu geben, und es fiel der Unterricht irr der Religion, der
poetischen Deklamation und der Musik in Eins zusammen unter dem
Namen der musischen Kunst. Die Einübung der heiligen Chorüeder
für die religiösen Feste des Staates war zugleich mit Chortänzen ver¬
bunden, denn Gesang und Tanz waren unzertrennlich verbunden. So <
lag denn der idealen Seite des Unterrichts die praktische Bedeutung
nahe, indem man von der Bildung der Seele zu der des Leibes über- ;
qinq zur Gymnastik, vermittelst welcher auf Turnplätzen und inRmg-
schulen .mit höchster Sorgfalt und Strenge planmäßig die allseitige ;
Uebung und Entwicklung der jugendlichen Glieder gepflegt ward.
Die vereinigte musische und gymnastische Bildung, welche zu Athen j
in der Zeit vor Solon nur der adeligen Jugend zugänglich war, durch j
ihn aber so weit als möglich auf die Gesammtheit des attischen Volkes j
ausgedehnt ward, umfaßte das ganze Jugendleben vom siebenten bis I
rum achtzehnten Jahre in täglicher Uebung und unter emer unausgesetzten i
strengen Rucht, die jedoch nicht, wie in Sparta, zu barbarischer Harte 3
ausartete. Es lag weder im Geiste des attischen Volkes, noch in dem i
seines Gesetzgebers, die Knaben durch Abhärtung ausschließend für den
Kriegsdienst zu erziehen, wie dies die Spartaner thaten, sondern man jj
arbeitete darauf hin, durch eine allseitige Ausbildung das Wesen und 1
die Erscheinung des „schönen und guten" Mannes darzustellen, in welchem 11
die Griechen ihr vollendetes Ideal erblickten. Spiele und Wettkämpfe $1
begleiteten den ganzen Jugendunterricht als Vorbereitung und Vorfeier fl
des großen Augenblicks, in welchem der junge Grieche etwa zu Delphi jj
oder Olympia bei den heiligen Festspielen vor den Augen der gesammten
Nation seine Kraft und Gewandtheit erproben sollte. :
'Wenn zu einer feinen Erziehung auch die Buchstabenkunde und di
Grammatik gehörte, so erhielt die Kenntniß des Lesens und Schreckens «f
einen um so höheren Werth, als Beides an den Handschriften der
Dichter, namentlich an den Abschriften der Gesänge des Homer, geübt Ja
ward Auch dieser Unterricht griff somit wieder in den Kreis der must-
schen Bildung zurück und leitete andererseits den jungen Studirenden n
mm höheren wissenschaftlichen Studium über an hohen Schulen und d
Akademien, aus welchen die Schriftsteller und Redner der Griechen her- 4