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Trotz dem anscheinend nicht vortheilhaften Frieden war Achen von
allen bedürftigen Schutzsuchenden gleicherweise als der erste der griechi¬
schen Staaten anerkannt. Seine Bewohner hielten sich recht eigentlich
für adlig geboren. Jeder Bürger war für die höchsten Beamtenstellen
wählbar, folglich mußte auch jeder die Einsicht in die Gesetzesordnung
des Staates besitzen. Die öffentliche Gerichtsbarkeit gewährte freien
Einblick in das Staatslebeu; von der Rednerbühne, auf dem Markte,
wurden die Entschlüsse und Geschicke des Volkes gelenkt. Die öffentlichen
Bildungsanstalten, die Gymnasien, die Akademie waren für Jedermann
Zugänglich. Andächtige Erhebung und Erschütterung aber fand der
Athener auf seiner tragischen Bühne, die zur Zeit des Perikles in ihrer
höchsten Blüthe stand und dem Kreise des täglichen Lebens so nahe
angehörte, daß, als um der vielen Staatsausgaben willen ein kleines
Eintrittsgeld für das Theater erhoben wurde, dieses von Staatswegen
den ärmeren Bürgern ausbezahlt werden mußte, um ihnen den als
unerläßlich erachteten Besuch des Theaters möglich zu machen.
Nicht minder ward Sinn und Auge für das Maß der Schönheit
geübt im Anschauen edler Kunstwerke und in der Theilnahme an ihrer
Entstehung. Athen schmückte sich mit Prachtgebäuden, mit Götter- und
Heroenbildern in Erz und Marmor. Auf der Akropolis erhob sich unter
der Leitung des Perikles der Tempel der Athene, das Parthenon, mit seinen
Vorgebäuden, den Propyläen und der großen Prachttreppe, welche von
der Stadt zu der Burg hinan führte, das Höchste, was zu allen Zeiten
und aller Orten von der Baukunst geleistet worden ist.
Perikles verstand es, wie kaum je ein anderer Fürst oder Herrscher,
die Geister wach zu rufen; um ihn sammelte sich Alles, was das grie¬
chische Alterthum unsterblich gemacht hat. Die Werke des Aeschylos,
Sophokles, Euripides, der ersten dramatischen Dichter Griechenlands,
waren damals auf der athenischen Bühne heimisch. Phidias, der Bild¬
hauer, Jktinos, der Baumeister, gehörten zu den nächsten Freunden des
Perikles. Der weise Anaxagoras war sein und seines berühmten Zeit¬
genossen, des athenischen Geschichtschreibers Thnkydides Lehrer gewesen.
Sein Haus war der Sammelplatz für die ersten Geister seiner Zeit;
selbst Sokrates verschmähte nicht, von Zeit zu Zeit in diesem Kreise sich
einzufinDen, in welchem Aspasia waltete, die Geliebte und Gemahlin des
Perikles, die dieser aus einer Gattung von Frauen gewählt hatte, welche
sonst viel eher geeignet sind, das Familienglück zu zerstören als zu er¬
schaffen. Hier aber hatte sich eine bedeutende und liebenswürdige Per¬
sönlichkeit über einen leichtfertigen und verächtlichen Stand erhoben und
die weibliche Feinheit und Würde so streng bewahrt, daß Niemand an¬
stand, Aspasia als eine der ersten Frauen des Alterthums gelten zu
lassen. In Miletos geboren, war sie mit andern Flüchtlingen schutz¬
suchend nach Athen gekommen. Aspasia übte durch Geist, Schönheit und
Anmuth einen bedeutenden Einfluß aus, und es muß ihr eine große bildende