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gewöhnlich bis in die Dunkelheit hinspielte und mit Fackelscenen beschlossen
ward.
Die Blüthe der Tragödiendichtung traf mit der Glanzperiode
Athens zusammen; sie war eine ächt attische Geistesschöpfung und die
größten Tragödiendichter waren Athener. Als den eigentlichen Gründer
des griechischen Trauerspiels als Kunstform haben wir den Aeschylos
zu nennen, den Sohn des Euphorion aus der Ortschaft Eleusis. Er
war geboren Olymp. 63. 4, also 525 Jahre v. Chr. Mit 35 Jahren
kämpfte er in der Schlacht bei Marathon, mit 45 in der Seeschlacht bei
Salamis. Heldenmütig, patriotisch, ehrenfest, war er einer von den
ersten athenischen Männern, in deren Gesinnung die Größe und Herr¬
lichkeit ihre Wurzeln hatte, die sich nach den Perserkriegen in Athen so
wunderbar rasch entwickelte. Seine Grabschrift hat, nach seinem eigenen
Wunsche, nicht den Dichter, sondern den Marathonkämpfer verewigt.
Die Schicksale und Leiden der Heroen, menschliche Schuld und
Sühnung durch die Macht der Götter, oder national-historische Erinne¬
rungen waren die Gegenstände, welche Aeschylos als würdige Tragödien¬
stoffe erachtete. Die Gewalt der ewigen Mächte, unter welche der Mensch
sich zu beugen hat, die Strafe für trotzige Ueberhebung, das Maß, die
Ausgleichung, sind bei Aeschylos Grundgedanke und Mittelpunkt. Die
Seele des Dichters war von dem Glauben an eine höhere Macht in der
innersten Tiefe ergriffen. Seine Werke sind voll der tiefsinnigsten und
begeistertsten Verherrlichungen des Zeus, als der höchsten Weltordnung,
welcher stets der Sieg gebührt. Die Hoheit der menschlichen Natur
aber wird durch die Kraft der freiwilligen Unterwerfung gefeiert.
Von einer großen Anzahl Tragödien des Aeschylos, man nennt
deren 86, sind uns nur sieben erhalten worden, von welchen „die Perser",
wo der Dichter den selbsterlebten Seekampf bei Salamis einem Boten
in den Mund legt, zu den frühesten gehören soll.
Eines der berühmtesten Werke des Aeschylos und an Tiefe und
Großartigkeit wohl das bedeutendste ist der „gefesselte Prometheus".
Der tiefsinnige, menschenliebende Titane, welchen Zeus an den Felsen
des Kaukasus heftet, weil er das heilige Feuer des olympischen Herdes
geraubt und den Sterblichen geschenkt hatte, war ein beliebter Stoff für
die Poesie wie für die bildende Kunst jener Zeit; aber niemals hat der
alte schöne Mythus sich tiefer und erhabener gestaltet, als in dem dich¬
terischen Geiste des Aeschylos.
Die Sieben vor Theben und die Schutzflehenden sind, wie die vor¬
hergehende Tragödie, Bruchstücke der nach gewohnter griechischer Sitte
festgehaltenen Dreizahl oder Trilogie, in welcher die antiken Dichter
ihren Stoff zu formen pflegten. Eine vollständige Trilogie des Aeschylos
aber ist uns in der sogenannten Oresteia erhalten worden, in den drei
Tragödien, welche die Sage von des Orestes Schicksal entwickeln und
unter dem Titel: Agamemnon, Grabesspende, die Eumeniden, zum