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Verführerisch geschmückt dem Sieger entgegentretend, suchte sie den Oc¬ 
tavian, wie einst seinen Großoheim Cäsar und wie Antonius, mit ihren 
Reizen zu entwaffnen. Allein Octavian empfing sie kalt; Kleopatra fühlte, 
daß hier ihre Macht zu Ende sei. Den Triumphzug des stolzen Eroberers zu 
schmücken, war sie zu stolz. Art Allem verzweifelnd, gab sie sich selbst 
den Tod; die Sage berichtet, sie habe sich giftige Schlangen an die Brust 
gelegt, nach andern Nachrichten hatte sie ein schnell tödtendes Gift, wie 
einst Demosthenes im Griffel, so in einer Haarnadel verwahrt. 
Nach der Schlacht bei Aktium hatte Octavian sein Ziel erreicht; er 
war Herr des römischen Reiches und die republikanische Freiheit war zu 
Grabe getragen. Es gab keinen Senat mehr, den Cineas einst in einem 
Berichte an den König Pyrrhus „eine Versammlung von Königen^ 
nannte, sondern nur verweichlichte Söhne der alten Patricier oder listige 
Emporkömmlinge. Es gab kein römisches Volk mehr, welches im Be¬ 
wußtsein seiner Herrschermacht, seiner Tapferkeit und Redlichkeit darauf 
bedacht war, den Puhm und die Größe des Vaterlandes zu erhöhen. 
Die vier Millionen Menschen, welche in Rom zusammenströmten, — 
theils im beständigen Kriegsdienste verwilderte Veteranen, theils durch 
Bestechungen der Großen an Müßiggang und Wohlleben gewöhnte 
Fürstendiener, theils mit dem römischen Bürgerrecht beschenkte Frei¬ 
gelassene aus allen Provinzen des Reiches — batten kein vaterländisches 
Interesse. Senat und Volk bezeigten eine ungeteilte Freude bei der 
Nachricht, daß Octavian gesiegt habe. Es wurde der Vorschlag gegeben 
und ausgeführt, dem noch abwesenden Sieger den Eid der Treue zu 
11 leisten und ihn zunt alleinigen Volkstribun- zu ernennen. 
Octavian kam mit einem Heere von mehr als hunderttausend Krie¬ 
gern; er hielt einen dreifachen Triumphzug, worauf eine lange Reihe 
von Festen, Schauspielen, öffentlichen Gastmählern und Opfern folgte. 
Große Geschenke wurden an das Volk ausgetheilt, ganze Städte und 
Ländereien an die Soldaten gegeben. Scheu vor dem alten Königshasse 
trug man ihm den Namen eines beständigen Dictators, eines Prinzen 
oder Fürsten an; er aber, das Beispiel Cäsar's vor Augen, war klug 
genug, alle diese Würden abzulehnen und nicht einmal den Namen Do¬ 
minus, das ist Herr, anzunehmen. Man legte ihm nun den Titel Au- 
gustus, das ist der Erlauchte oder Herrliche, bei, — einen Namen, 
den er in der Geschichte behalten hat, und welcher in der Folge gleich¬ 
bedeutend mit Cäsar oder Kaiser geworden ist. Nebst dieser Würde gab 
man ihm die eines immerwährenden Imperators oder Feldherrn aller 
römischen Heere; so vereinigte er alle Rechte der bisherigen Consnln, 
Prätoren, Censoren, Oberpriester und Tribunen, und die Majestät, 
d. i. die höchste Gewalt, die. sonst der Senat und das Volk besaß, in 
seiner Person, d. h. er war absoluter Alleinherrscher und König mit 
größerer Machtvollkommenheit, als Cäsar sie sich je angemaßt hatte. 
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