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Wohnsitze an der Donau zurückflohen. Allein auch diese That wurde
dem Belisar schlecht gelohnt. Als bald darauf eine Verschwörung gegen
des Kaisers Leben ausbrach, beschuldigte man ihn der Theilnahme an
derselben und warf ihn in's Gefängniß. Erst kurz vor seinem Tode
erhielt er die Freiheit wieder. Es war dies wohl des Undanks und
Unglücks genug; die Erzählung von Belisar's Blendung ist eine Erdichtung.
Justinian starb im Jahre 565. Mit seinem Tode begann das
oströmische Reich zu sinken. Bei mannigfachen Fehlern hat er doch
Großes geschaffen für seine und für die künftige Zeit. Das Gesetzbuch,
welches unter seinem Namen bekannt ist, uno bei dessen Abfassung vor¬
nehmlich sein gelehrter Freund und Rathgeber Tribonian betheiligt
war, galt fortan als Vorbild für alle folgenden Gesetzgebungen. Die
Volksindustrie verdankt ihm manche Förderung, namentlich eröffnete er
neue Erwerbsquellen durch die Einführung der Seidenkultur. Es wird
erzählt, daß zwei Mönche die Seidenraupeneier in ausgehöhlten Stäben
nach Eonstantinopel brachten. Ganz besonders aber hat er sich durch
gemeinnützige Bauwerke verewigt, Kirchen und Krankenhäuser, Brücken
und Wasserleitungen, Straßen und Schutzmauern entstanden unter Ju-
stinian's Regierung. Er, befestigte die Grenzen seines Reiches durch die
Anlage einer großen Menge Kastelle und Festungen.
Dennoch ging schon unter seinen nächsten Nachfolgern manche wich¬
tige Eroberung verloren. So drang das tapfere Volk der Long o-
barden, ein deutscher Stamm, welcher lange in Pannonien gewohnt
hatte, nach Westen vor und nahm den größten Theil von Oberitalien
ein. Unter dem Kaiser Mauricius, welcher zuerst sowohl an seinem
Hofe, als auch bei allen Geschäften des Staates die griechische Sprache
einführte, schien sich das oströmische Reich für eine Weile zu erholen und
dem tapfern Kaiser Heraclius gelang es, über seine äußern Feinde
zu siegen. Der zerstörende Wurm im Innern aber, die nie endenden
Religionszwiste, an welchen der Staat krankte, spotteten seines Willens
und seiner Macht. Ueber sie konnte er nicht Herr werden.
Nach Heraclius, der das Reich gegen die Perser und Araber tapfer
vertheidigte, folgte eine Reihe schwacher und grausamer Kaiser in schnel¬
lem Wechsel nacheinander. Ihre Geschichte ist eine Erzählung von
Gräueln und Unmenschlichkeiten, die die Frevel der römischen Kaiser,
eines Nero, Domitian und Commodus, fast übersteigen. Unter diesen
verworfenen Namen ist der des Phokas durch kalte Grausamkeit am
schrecklichsten gezeichnet. Blendungen und Verstümmelungen barbarischer
Art gehörten zu den täglichen Erscheinungen. Dabei dauerten die ärger¬
lichen Glaubensstreitigkeiten fort; besonders war die Frage: ob eine
oder zwei Naturen (die göttliche und menschliche > und eine oder zwei
Willensäußerungen in Christus gewesen seien (Monophysiten und Mono-
theleten-, eine unversiegbare Quelle der bittersten Entzweiung. An diese
Glaubensstreitigkeiten knüpften sich andere, namentlich über die Ver-
O e \ e r ’ * Weltgeschichte. II. 7. Aufl. §