113 
Wohnsitze an der Donau zurückflohen. Allein auch diese That wurde 
dem Belisar schlecht gelohnt. Als bald darauf eine Verschwörung gegen 
des Kaisers Leben ausbrach, beschuldigte man ihn der Theilnahme an 
derselben und warf ihn in's Gefängniß. Erst kurz vor seinem Tode 
erhielt er die Freiheit wieder. Es war dies wohl des Undanks und 
Unglücks genug; die Erzählung von Belisar's Blendung ist eine Erdichtung. 
Justinian starb im Jahre 565. Mit seinem Tode begann das 
oströmische Reich zu sinken. Bei mannigfachen Fehlern hat er doch 
Großes geschaffen für seine und für die künftige Zeit. Das Gesetzbuch, 
welches unter seinem Namen bekannt ist, uno bei dessen Abfassung vor¬ 
nehmlich sein gelehrter Freund und Rathgeber Tribonian betheiligt 
war, galt fortan als Vorbild für alle folgenden Gesetzgebungen. Die 
Volksindustrie verdankt ihm manche Förderung, namentlich eröffnete er 
neue Erwerbsquellen durch die Einführung der Seidenkultur. Es wird 
erzählt, daß zwei Mönche die Seidenraupeneier in ausgehöhlten Stäben 
nach Eonstantinopel brachten. Ganz besonders aber hat er sich durch 
gemeinnützige Bauwerke verewigt, Kirchen und Krankenhäuser, Brücken 
und Wasserleitungen, Straßen und Schutzmauern entstanden unter Ju- 
stinian's Regierung. Er, befestigte die Grenzen seines Reiches durch die 
Anlage einer großen Menge Kastelle und Festungen. 
Dennoch ging schon unter seinen nächsten Nachfolgern manche wich¬ 
tige Eroberung verloren. So drang das tapfere Volk der Long o- 
barden, ein deutscher Stamm, welcher lange in Pannonien gewohnt 
hatte, nach Westen vor und nahm den größten Theil von Oberitalien 
ein. Unter dem Kaiser Mauricius, welcher zuerst sowohl an seinem 
Hofe, als auch bei allen Geschäften des Staates die griechische Sprache 
einführte, schien sich das oströmische Reich für eine Weile zu erholen und 
dem tapfern Kaiser Heraclius gelang es, über seine äußern Feinde 
zu siegen. Der zerstörende Wurm im Innern aber, die nie endenden 
Religionszwiste, an welchen der Staat krankte, spotteten seines Willens 
und seiner Macht. Ueber sie konnte er nicht Herr werden. 
Nach Heraclius, der das Reich gegen die Perser und Araber tapfer 
vertheidigte, folgte eine Reihe schwacher und grausamer Kaiser in schnel¬ 
lem Wechsel nacheinander. Ihre Geschichte ist eine Erzählung von 
Gräueln und Unmenschlichkeiten, die die Frevel der römischen Kaiser, 
eines Nero, Domitian und Commodus, fast übersteigen. Unter diesen 
verworfenen Namen ist der des Phokas durch kalte Grausamkeit am 
schrecklichsten gezeichnet. Blendungen und Verstümmelungen barbarischer 
Art gehörten zu den täglichen Erscheinungen. Dabei dauerten die ärger¬ 
lichen Glaubensstreitigkeiten fort; besonders war die Frage: ob eine 
oder zwei Naturen (die göttliche und menschliche > und eine oder zwei 
Willensäußerungen in Christus gewesen seien (Monophysiten und Mono- 
theleten-, eine unversiegbare Quelle der bittersten Entzweiung. An diese 
Glaubensstreitigkeiten knüpften sich andere, namentlich über die Ver- 
O e \ e r ’ * Weltgeschichte. II. 7. Aufl. §
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.