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Dabei ward es jedoch immer rauher und magerer; die Kühe gaben
wenig dünne und blaue Milch, und den Pferden standen die Hüft¬
knochen also vor, daß der Knecht seinen Hut dort hätte anhängen
können, wenn er gewollt hätte. Die Schweine wurden hochbeinig
und dünn, und wenn sie einmal aus dem Stall gelassen wurden,
da rannten sie wie die Windhunde auf dem Hofe umher, was für
ein Schwein eine ganz törichte Kunstfertigkeit ist. Und mit den
Hühnern war’s auch vorbei. Sie kriegten den Pips und legten
Windeier, und wenn sie mal ein ordentliches zu Gange brachten,
so fraßen sie es auf.
Als der Bauer nun sah, wie alles hinter sich ging, verlor er
ganz die Lust an seinem Anwesen, und als er ein gutes Angebot
erhielt, verkaufte er es. Er ist dann weit fortgezogen nach Rußland
zu, wo die Polacken wohnen.
79. Von dem fitcber und feiner frau.
Von den Brüdern Grimm.
Kinder- und Hausmärchen. Originalausgabe. 32. Ausl., besorgt von Reinboid
Steig. Stuttgart u. Berlin 1906. 8. 65. Hochdeutsch von Friedrich Speyer.
es war einmal ein Fischer und seine Frau, die wohnten zusammen
in einem Essigkrug, dicht an der See, und der Fischer ging alle
Tage hin und angelte: und er angelte und angelte.
So saß er auch einmal bei der Angel und sah immer in das blanke
Wasser hinaus: und er saß und saß.
Da fuhr die Angel hinunter, tief hinunter, und wie er sie herauf¬
holte, da holte er einen großen Butt (Plattfisch oder Scholle) heraus.
Da sagte der Butt zu ihm: „Hör' mal, Fischer, ich bitt' dich, laß mich
leben, ich bin kein rechter Butt, ich bin ein verwunschener Prinz. Was
nützt es dir, wenn du mich totmachst? Ich würde dir doch nicht schmecken:
setz' mich wieder in das Wasser und laß mich schwimmen." „Na," sagte
der Mann, „du brauchst nicht so viele Worte zu machen, einen Butt, der
sprechen kann, hätt' ich doch wohl schwimmen lassen." Damit setzte er
ihn wieder in das blanke Wasser, da fuhr der Butt hinunter und ließ
einen langen Streifen Blut hinter sich. Da stand der Fischer auf und
ging Zu seiner Frau in den Essigkrug.
„Mann," sagte die Frau, „hast du heut' nichts gefangen?" „Nein,"
sagte der Mann, „ich fing einen Butt, der sagte, er wäre ein ver¬
wunschener Prinz, da hab' ich ihn wieder schwimmen lassen." „Hast du
dir denn nichts gewünscht?" sagte die Frau. „Nein," sagte der Mann,