19
ich mit Zeugnissen der heiligen Schrift oder mit klaren und Hellen
Gründen überwiesen werde, so kann und will ich nicht widerrufen, weil
weder sicher noch gerathen ist, etwas wider das Gewissen zu thun. An¬
dere Gründe aber, so nicht aus der heiligen Schrift genommen sind,
können auch nicht überzeugen, denn ich glaube weder dem Pabst noch
dem Concilium, weil es am Tag und offenbar ist, daß sie beide oft
geirrt haben und ihnen selbst widersprechend gewesen sind. Hier steh’
ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir! Amen!" *)
Der Kaiser ließ sich Luther's deutsche Rede, die er nicht verstanden,
von ihm lateinisch wiederholen. Er schien Anderes erwartet zu haben.
„Der soll mich nicht zum Ketzer machen," sprach er zu den Umstehenden.
Johann Friedrich abet sagte zu seinem getreuen Spalatin voller Freude:
„wie schön hat Doctor Martinus vor Kaiser und Reich gesprochen!"
Landgraf Philipp von Hessen, Herzog Wilhelm von Braunschweig, Gras
Wilhelm von Henneberg besuchten Luther in der Herberge. Auch be¬
stand er manches harte Gespräch mit seinen Gegnern. Als ihn der
Erzbischof von Trier fragte: wie denn die Sache enden werde? erwiderte
er: „Ist sie nicht aus Gott, so wird sie untergehen; ist sie aber aus
Gott, so werdet Ihr sie nicht dampfen."
Um vor Ablauf der Geleitsfrist heim zu kommen, mußte Luther
seine Heimreise beeilen. Unterdessen hatte der päpstliche Gesandte am
Reichstage, Aleander, das Achtsedikt abgefaßt, durch welches Luther für
vogelfrei erklärt, und bei Strafe des Majestätsverbrechens verboten
wurde, seine Schriften zu lesen und zu verbreiten. Bei der Publikation
dieses Edikts hatte man es mit der Ehrlichkeit nicht sehr genau genom¬
men. Aleander behielt es zurück, bis mehrere Fürsten, unter ihnen der
Kurfürst von Sachsen, abgereist waren; dann ließ er es durch den
Kaiser in dessen Palaste — nicht in der Reichsversammlung — den noch
anwesenden Fürsten bekannt machen, und zwar mit einem um achtzehn
Tage älteren Datum, damit es scheinen sollte, als ob das Edikt mit
Vorwissen und Gutheißen aller Reichsstände erlassen worden sei.
Auf dem Rückwege nach Wittenberg ward Luther auf Veranstalten
seines fürsorglichen Herrn, des Kurfürsten, durch einen Trupp ver¬
mummter Reiter aufgehoben und auf die Wartburg gebracht, wo er
unter dem Namen des Junker Görg unerkannt verweilen sollte, bis die
Reichsacht nicht mehr in Kraft gegen ihn sein würde. Es geschah dies
wohl wahrscheinlich unter des Kaisers Vorwissen, der es mit Niemand
verderben wollte.
„Daß doch Könige so selten sind, die nicht mit der Wahrheit spie¬
len," heißt es in der schon erwähnten Spittler'schen Kirchengeschichte.
*) Neuere Geschichtschreiber wollen diese Worte als unverbürgt nicht gelten lassen.
Hat Luther sie nicht gesprochen, so hat er sie doch empfunden und gedacht. Sie sind
ausgeprägt in seinem ganzen Thun und Leben.
2*