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Spanien von der Thronfolge ausgeschlossen war. Aber auch der älteste 
Urenkel Ludwig's XIV. starb noch vor dem Urgroßvater, und nur dessen 
Bruder, Ludwig XV., ein Kind von fünf Jahren, war übrig geblieben. 
Der Schmerz des Königs über dieses Hinsterben seiner Kinder und 
Kindeskinder äußerte sich durch eine fast unerträgliche Launenhaftigkeit, 
welche die Maintenon beinahe zur Verzweiflung brachte, weil Nichts 
mehr zu erfinden war, was ihn zerstreuen konnte. In solcher Noth 
verfiel man auf die albernsten Dinge; man überredete einst den König, 
der Perser-Schah habe von dem berühmten Namen der Majestät von 
Frankreich und von ihren Thaten gehört und sende einen Großen seines 
Reiches, um mit ihm ein Freundschaftsbündniß zu schließen. Der Ge¬ 
sandte, ein portugiesischer Jesuit, der die halbe Welt durchstrichen hatter 
wurde auf's Glänzendste zu Versailles empfangen und erhielt täglich 
100 Louisd'or zu seinem Unterhalte. Das Possenspiel wurde aber ent¬ 
deckt, der Jesuit entkam durch die Flucht, und Niemand durfte weiter 
von dem persischen Gesandten sprechen. 
Mittlerweile verschlimmerten sich Ludwig's Gesundheitsumstände von 
Tag zu Tag; Glanz, Hoheit, Glück, Heiterkeit, Selbstvertrauen, Alles 
war verschwunden; Mitleid mit dem gebeugten Könige war die einzige 
Quelle der Theilnahme, und doch verdiente er diese vielleicht jetzt mehr 
als je zuvor in seinen glanzvollsten Tagen. Als ihm sein Arzt ver¬ 
kündigte, daß er nur noch wenige Tage zu leben habe, behielt Ludwig 
vollkommene Fassung und ermahnte seine Diener zur Treue gegen seinen 
Nachfolger. „Ich finde nicht," sagte er, „daß es so schwer sei, sich zum 
Tode zu entschließen." Seinem Urenkel gab er gute Lehren, warnte ihn, 
zu viele Kriege zu führen, und bat die Herren vom Hofe um Verzeihung 
wegen des bösen Beispieles, das er ihnen gegeben habe. 
Der große König, vor welchem einst Alles zitterte, war in seinen 
letzten Stunden von allen Hofleuten verlassen. Madame Maintenon 
entwich von dem Sterbelager in das Fräuleinstift St. Cyr, das sie ge¬ 
gründet hatte, um, wie sie sagte, „für den König zu beten". Dieser Zug 
ist bedeutend für die Art herzloser Frömmelei, welcher die Maintenon 
angehörte. Auch der Beichtvater Le Tellier ließ sich bei Ludwig nicht 
mehr sehen; ja die Bedienten liefen, so lange er noch athmete und litt, 
zu dem Herzoge von Orleans, einem Bruderssohn Ludwig's XIV., wel¬ 
cher während der Minderjährigkeit Ludwig's XV. zum Regenten ernannt 
worden war; nur zwei Wundärzte harrten an seinem Sterbebette aus. 
Sein Tod erfolgte nach schwerem Kampfe am 1. September 1715. Bei 
seinem Begräbniß zeigten nur Wenige Theilnahme, das Volk jubelte, 
Verwünschungen folgten seinem Sarge, und in den Gesang der Priester 
mischten sich freche Spottlieder.
	        
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