287
löblich regieren mögen; vielleicht werden wir mit der Zeit einander
brauchen können."
Seine Heimkehr bezeichnet der Zwist mit seinem Sohne Alexis, welcher,
der altrussischen Sitte ergeben, die Neuerungen des Vaters mit Abscheu be¬
trachtete. Sein rohes Benehmen gegen seine Gemahlin, eine Prinzessin
von Braunschweig-Wolsenbüttel, steigerte die Unzufriedenheit des Czaren.
Die Erbitterung stieg von beiden Seiten so weit, daß Peter von den
Staatsräthen in Folge einer angeblich entdeckten neuen Verschwörung
das Todesurtheil über den Großfürsten sprechen ließ, welcher der Thron¬
folge nicht entsagen wollte. Ob und wie dies Urtheil vollzogen wurde,
oder ob Krankheit und Schrecken dem Leben des Prinzen ein Ende machte,
ist ungewiß und wird auf vielfach widersprechende Weise erzählt; so viel
nur bleibt sicher, daß er wirklich im Gefängniß starb und daß von die¬
sem Augenblick an auch Peter's des Großen Muth und Lebensfreudig¬
keit gebrochen war. Argwohn und Mißtrauen erfüllten seine sonst so
freie Seele; das Verhältniß zu seiner Gemahlin trübte sich; übermäßiges
Trinken und allzu angestrengte Thätigkeit halfen seinen Körper auf¬
reiben, als er kaum das fünfzigste Lebensjahr erreicht hatte. Krank,
wie er war, sah er ein Schiff stranden, sprang selbst in’s Wasser, um
es retten zu helfen; die Erkältung, welche er sich zuzog, machte nach
langen und heftigen Schmerzen im Jahre 1725 feinem Leben ein Ende
Er hatte nach seines Sohnes Tode das Gesetz gegeben, daß jeder
russische Kaiser künftig selbst seinen Nachfolger ernennen dürfe. Ihm
folgte, wie er befohlen hatte, seine Gemahlin Katharina, welche aber
nur zwei Jahre lang regierte (1725—1727). Nicht viel länger trug
des Alexis Sohn, Peter II., die Krone; er starb an den Pocken —
erst fünfzehn Jahre alt. Da er keinen Nachfolger ernannt hatte, wählte
der Staatsrath Anna Jwanowna, verwittwete Herzogin von Kur¬
land, welche bis zum Jahre 1740 mit Hülfe des Feldmarschalls Grafen
von Münnich glücklich regierte. Sie ernannte ihrer Schwester Tochter,
Anna, welche an den Herzog Anton Ulrich von Braunfchweig-Wolfen-
büttel vermählt war, und ihren neugeborenen Sohn Iwan zu Thron¬
folgern.
Bald aber entstand unter den Großen des Reichs eine Verschwörung,
welche im Jahre 1741 die Tochter Peters des Großen, Elisabeth
Petrowna, auf den Thron, das Regentenpaar aber mit dem ein¬
jährigen Kaiser Iwan in’s Gefängniß führte. Das arme Kind wurde
den Eltern entrissen und auf die Festung Schlüsselburg gebracht, aus
Furcht, daß es unter günstigen Umständen von einer Partei auf den
Thron erhoben werden konnte. Auf Befehl der Kaiserin wuchs Iwan
in der größten Unwissenheit auf; da auch seinen Wächtern verboten war,
mit ihm zu sprechen, blieb er unentwickelt und blödsinnig. Als er
24 Jahre alt war, wollte ein verwegener Offizier unter der Regierung
der Kaiserin Katharina II. (1762 bis 1796) ihn befreien. Um dies zu