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Bald jedoch sollte der Tod des Königs Friedrich Wilhelm I. dem 
hohen Geist des jungen Fürsten einen weiteren Schauplatz eröffnen. 
Im Frühling 1740 erhielt Friedrich die Nachricht von der nahen 
Auflösung seines Vaters. Er eilte nach Potsdam und fand den König 
aus dem öffentlichen Platze neben dem Schlosse in seinem Rollstuhle 
sitzend, da ihm die Füße den Dienst versagten, der Grundsteinlegung eines 
benachbarten Hauses zusehend. Sobald er den Sohn erblickte, streckte 
er die Arme aus, in die der Prinz sich weinend stürzte. „Mein Gott, 
ich sterbe zufrieden, da ich einen so würdigen Sohn und Nachfolger 
habe," sprach der alte König. Wenige Tage darauf übergab er Reich 
und Regiment öffentlich und feierlich in die Hände des Kronprinzen und 
ermahnte seine Unterthanen, diesem fortan ebenso treu zu sein, als sie 
ihm gewesen wären. Darauf ließ er sich in sein Zimmer zurückbringen. 
Der Kronprinz und die Königin folgten ihm. Kaltblütig ertrug er den 
letzten Kampf, der sich alsbald einstellte, und gab unter frommen Ge¬ 
beten den Geist auf, am 31. Mai 1740. 
So trat Friedrich II. die Regierung in seinem achtundzwanzigsten 
Jahre an (er war geboren den 24. Januar 1712), und von dem Tage 
an gab er sich, den Schmerz bewältigend, der ihn bei seines Vaters 
Tode erfüllte, gänzlich seinem neuen hohen Berufe hin; schon die ersten 
Tage sollten es lehren — „wie er König sein sollte." 
15. Maria Theresia. Die schlesischen Kriege. Der 
österreichische Erbfolgekrieg. 
Maria Theresia, Karl's VI. Tochter, die edle deutsche Frau 
und Herrscherin, deren weibliche und fürstliche Tugenden sich in selte¬ 
nem Maße die Wage hielten und deren Liebenswürdigkeit ihre Macht 
und Größe vergessen ließ, hatte kaum den von ihrem Vater auf sie ver¬ 
erbten Thron bestiegen und ihre durch die pragmatische Sanktion ver¬ 
sicherten Erblande in Besitz genommen, als ein mächtiger Fürstenbund, 
Preußen, Frankreich, Spanien, Baiern und Sachsen, sich rüstete, um das 
Testament Karl's VI. umzustoßen und ihr das väterliche Erbe, Oesterreich, 
Steyermark, Kärnthen, Tyrol, Böhmen, Mähren und Mailand, zu 
entreißen. 
Friedrich II. war der Erste, der, ehe noch die Baiern gerüstet 
waren und die Franzosen den Rhein überschritten hatten, in Schlesien 
einrückte, auf das er in Folge verwandtschaftlicher Erbrechte Anspruch 
erhob. 
Der erste schlesische Krieg bewies bereits, daß das preußische 
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