Full text: Geschichte der Griechen für Gymnasien und Realschulen

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Liedern der Griechen am meisten gefeiert. Hier finden wir die 
ersten Sänger, durch welche besonders die Sprache mehr aus- 
gebildet, und religiöse Ideen im Volke verbreitet wurden; hier 
auch die ersten religiösen Institute selbst. Der chracische San- 
ger Linus, den die Sage als einen Sohn des Gottes Apollo 
und der Muse Kalliope feiert, erfand den Rhythmus und die 
Melodie und unterrichtete in denselben den Orpheus, Thamyris 
und Herkules. Einen gleich göttlichen Ursprung legt die Sage 
dem Orpheus bei. Er soll sich durch Reisen, besonders in 
Ägypten, gebildet und seine Lehren in Volksliedern verbreitet 
haben. Sein von der Laute begleiteter Gesang übertraf alles 
frühere; selbst die Thiere und die leblose Natur wurden durch 
ihn bezaubert. Von Thamyris rühmt die Sage, er habe im 
Gesänge sogar die Musen übertroffen, sei aber aus Eifersucht 
von ihnen geblendet worden. Aus Thracien, dieser uralten 
dunkelen Heimath griechischer Religion und Poesie, wanderten 
früh die heiligen Sänger hinab in die angrenzenden Gebiete 
und bewirkten, da sie zugleich Priester, Seher und Heilkünstler 
waren, durch die Allgewalt des mit Musik verbundenen Gesan- 
ges und durch religiöse Institute, die allmälige Entwilderung 
der Sitten. In Thessalien finden wir die ausgezeichnetsten 
Helden des Alterthumes, als Jason, Admet, Pirithous, Achilles 
und Philoktet; dort ist fast jeder Berg, jedes Thal durch den 
Zauber der Dichtkunst verherrlicht. Eben so finden wir in dem 
angrenzenden Epirus, bei der Stadt Dodöna, das älteste grie- 
chische Orakel, das Orakel des Jupiter. So weiset Alles auf 
jene nördlichen Gegenden, als die frühesten Wohnsitze der Volk- 
stamme, zurück, welche Griechenland allmälig bevölkerten. 
Auch deutet die Sage auf Einwanderungen zur See in 
die südlicher gelegenen Theile Griechenlands und auf eine vom 
Morgenlande überkommene Bildung. Die zahlreichen Inseln 
in den Meeren, welche die Küsten von Griechenland, Kleinasien 
und Ägypten bespülen, boten wenigstens eben so viele Annähe- 
rungs- und Übergangspunkte dar. Ob aber die ältesten Ein- 
Wanderer, zu welchen die Sage hinaufreicht, sie mögen nun zu 
Lande oder zur See herübergekommen sein, die erste Bevölke¬ 
rung bildeten, oder schon ein Urvolk vorfanden, mit dem sie 
sich vermischten, ist eine nicht zu entscheidende Streitfrage.
	        
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