- 60 -
noch sein Lehrer Sokrates können seinen Leichtsinn auf die Dauer
zähmen. Durch seine Schönheit und seinen Geist bezaubert er das
Volk. Er überredet die Athener zu einem Zuge nach Sizilien,
um den bedrohten ionischen Städten der Insel gegen das dorische
Syrakus Hilfe zu leisten. Trotz der Verstümmelung der Hermen,
die man dem Alcibiades zur Last legt, geht 415 eine große Flotte
unter seiner Führung ab. Während der Fahrt zurückberufen flieht
er nach Sparta und giebt den Spartanern den Rat, die Syrakn-
saner zu unterstützen und eine Festung in Attika zu besetzen. Die
athenische Flotte wird im großen Hafen von Syrakus 413 ver¬
nichtet, das Landheer ergiebt sich nach letztem Kampf, die Feld-
Herren werden hingerichtet (die Steinbrüche).
Alcibiades, aus Sparta flüchtig, begiebt sich nach der athenischen
Flotte und kehrt nach einem glänzenden Sieg derselben in seine
Vaterstadt zurück. Nach einer Niederlage seines Unterfeldherrn
abermals vertrieben, flieht er nach Kleinasien, wo er später durch
Meuchelmord umkommt. Die athenische Flotte wird am Ziegenslnß,
(Hellespont) von dem Spartaner Lysander 405 vernichtet; Athen
ergiebt sich 404, verzichtet auf alle auswärtigen Besitzungen; die
langen Mauern geschleift, fast alle Kriegsschiffe ausgeliefert.
Sokrates.
§. 46. In die Zeit des peloponnefifchen Krieges fällt das Leben des
Sokrates aus Athen. Ursprünglich war er Bildhauer, aber eine
göttliche Stimme in seinem Innern trieb ihn zum Suchen der
Wahrheit (Philosophie). Über die Geheimnisse der Natur saun er
nicht nach; das Ziel seines Nachdenkens war der Mensch („Erkenne
dich selbst"). Die Tugend war nach seiner Meinung ein Wissen;
nur das sei gut, was aus Liebe zur Tugend geschehe, und wer
wirklich die Tugend erkannt habe, müsse notwendig tugendhaft sein.
Seine Schüler belehrte er unter freiem Himmel durch Fragen
und Antworten unentgeltlich (im Gegensatz zu den Sophisten); in
seinem Äußeren häßlich, einfach, arm, doch stolz in seiner Bedürfnis-
losigkeit, gewann er die Herzen der edelsten Jünglinge (Alcibiades).
Seine Pflichten als Bürger erfüllte er gewissenhaft im Kriege und
im Frieden und lebte feinen Lehren getreu.
Siebenzigjährig wurde er von seinen Gegnern angeklagt, daß
er die Jugend verderbe, an die Götter des Staates nicht glaube
und neue Gottheiten einführen wolle. Er verteidigte sich selbst.