§. 53. König Friedrich I. Die napoleonischen Kriegt.
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Friedrichshofen. — Die Universität Tübingen wurde durch die klinische Anstalt,
das anatomische Theater, den botanischen Garten und die Naturaliensammlung
erweitert. Es wurden Waisen-, Zucht- und Irrenanstalten eingerichtet, gleiches
Maß und Gewicht eingeführt. In Stuttgart unternahm der Jtöntg kostbare
Bauten, das neue Schloß wurde ausgebaut; die dortigen und die Ludwigsburger
Anlagen wurden ausgeführt, das Lustschloß Monrepos vollendet. Diese Bauten,
lowie die Pracht, mit welcher sich Friedrich in seinem Hofivefen umgab, trugen
nicht zur Erholung des Landes von den ungeheuren Lasten der letzten Kriege bei.
indessen gereichte die unermüdliche Thätigkcit des Königs ihm zur Ehre, dem
Lande zur Wohlfahrt.
Württemberg durfte jedoch nicht lange die segensreichen Früchte des Frie-
dens genießen. Im Jahr 1812 rüstete Napoleon zum russischen Feldzug.
Die letzte Macht auf dem Kontingent sollte gebrochen werden. Ein Heer von
600,000 Krtegmi, worunter die wenigsten Franzosen, zog gegen Rußlands Grenze.
Württemberg hatte 15,800 Mann und 3400 Pferde unter dem Kommando
des Kronprinzen Wilhelm gestellt. Schon auf dem Hinmarsch schmolz
die furchtbare Armee durch Krankheiten und Seuchen, welche wegen der schlechten
Verpflegung und des ungewohnten KlimaS ausbrachen. Die württembergifche
Armee zahlte nur noch 4500 Mann. Kronprinz Wilhelm erkrankte in WitepSk
und kehrte, nachdem er den Oberbefehl dem General Scheler übergeben hatte,
über Wilna gerne nach Württemberg zurück, gerne, weil er viel lieber fein Schwert
gegen den übermüthigen Tyrannen gezogen hatte und darum mit der Politik seines
Vaters nie einverstanden war. In der Schlacht von Smolensk zeichneten
fich die Württemberger durch Erstürmung der Vorstädte und der Brücke über den
Knieper aus. Bei Borodina an der Moskwa (7. September 1812) wurde
eine russische Redoute, der Schlüssel des Schlachtfeldes, gewonnen und wieder
verloren. Da drängte sich ein württembergisches Regiment durch die fliehenden
Franzosen hindurch, nahm die Redoute wieder, behauptete sie und rettete bei
diesem Anlaß den König von Neapel, den die Russen schon faßten. Napoleon
gewann diese Schlacht, aber mit einem Verluste von 40,000 Tobten und Ver¬
wundeten. Die letzteren starben fast alle aus Mangel an Pflege; benn für nichts
gesorgt; Charpie, Leinwanb, sogar bie nothdürstigste Nahrung fehlten. Noch
ta9f- und wochenlang lagen Verwundete unter freiem Himmel und fristeten daS
Leben vom Aase der gefallenen Pferde.
Am 14. September hielt Napoleon seinen Einzug in M o s ka u, um hier
&u überwintern. Aber die von den Einwohnern verlassene Zarenstadt wurde
Quf Anorbnung bes Gouverneurs Rostopschin burch entlassene Gefangene
^'gezündet. Das patriotische Opfer war vollstänbig unb erfüllte seinen Zweck.
tat* des Friedens und Neberflusses fand Napoleon in Moskau nur Asche. Er
jflußte sich zum Rückzug entschließen, da er auf seine Friedensanträge gar keine
•Antwort erhielt. Schon löste der Hunger die Reihen seines Heeres auf, als der
! arkst? Verbündete der Russen anrückte — der russische Winter mit bitterem
und tiefem Schnee. „Nur wenige kräftige Männer blieben unter den
Hüffen und deckten die Flucht der übrigen. Die große Mehrheit warf die Waf-
weg unb suchte nur bas Leben zu retten. In der unermeßlichen schneebedeckten
^pe, deren traurige Oed? nur durch verbrannte Dörfer unterbrochen war,
man die große Armee zerstreut bem Tode entgegen wanken. Magere Ge-