Full text: Die Geschichte Württembergs

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II. Württemberg als Grafschaft. 
genanntx), der ein sehr tüchtiger Gelehrter war, aber überall von den Vormund- 
schaftsräthen eingeschränkt wurde. Der junge Graf sollte nur deutsch lesen und 
schreiben lernen, weiter gar nichts. So verfiel er denn auf allen Muthwillen, 
verachtete die Ermahnungen seiner Mutter und seines Lehrers und verbrachte 
seine Zeit mit Jagen, Reiten, Tanzen, Spielen, Saufgelagen und andern Aus- 
schweisungen und es ließ sich klar voraussehen, daß bei solchem Leben in Saus 
und Braus das väterliche Erbe bald verbraucht sein werde. Auf Anstiften der 
Vormundschastsräthe hatte er das Recht der Selbstregierung von seinem Oheim 
Ulrich erzwungen und nun glaubten jene an das Ruder zu kommen. Sie täuschten 
sich aber ganz gewaltig. Das erste, was Eberhard that, war, daß er alle alten 
Räthe entließ, auch der treue Hofmeister Bergen mußte weichen; er übernahm 
die Stelle eines Kirchherrn in Brackenheim. Junge Männer wurden als Räthe 
an den Hof gezogen, mit denen Eberhard in wilder Ausgelassenheit lebte. Die 
liebevollen Ermahnungen und Warnungen der treu besorgten Mutter Mechthild 
waren in den Wind geredet; es häuften sich Steuern auf Steuern, Schulden 
auf Schulden. 
Da auf einmal gieng Eberhard in sich; er hatte die sinnlichen Freuden 
genug genossen, und sie hatten ihren Reiz für ihn verloren. Wohl mochte er 
dabei die Wertlosigkeit eines Lebens einsehen, das nur im fortgesetzten Genuß 
äußerer Vergnügungen und in der Befriedigung fleischlicher Lüste bestehe. Eber- 
hard wurde ein ganz anderer Mann und machte sich von seiner leichtsinnigen 
Umgebung los. Er faßte den festen Entschluß, ein Gott wohlgefälliges Leben zu 
führen und dieses fbrhm dem Wohl seines Landes zu weihen. Nach der damali- 
genreligiösen Anschauungsweise unternahm er einePilgerfahrt in das heilige 
Land, lieber den Gräbern seines Vaters und seines Bruders in der Karthause 
zu Güterstein empfieng er den Segen zu dieser Reise von dem ehrwürdigen 
Johann von Udenheim, Abt des Klosters Herrenalb: Mit dem Wahlspruch 
„Attempto" („ich wage es") trat er die Fahrt an, nachdem er zuvor die 
Verwaltung des Landes bewährten Männern übertragen hatte, unter denen sich 
1468. namentlich der sehr tüchtige Georg von Ehingen auszeichnete (1468). Am 
heiligen Grabe empfieng Eberhard den Ritterschlag. Nach sechsmonatlicher Ab- 
Wesenheit kehrte er wieder in sein Land zurück, wo er mit großein Jubel em- 
psangen wurde. Sein Sinnbild war von da an die Palme Judäas, um die sich 
ein Band mit der Inschrift „Attempto" schlingt. Aus der Reise hatte er sich 
den Bart wachsen lassen, den er von nun an trug, woher er den Beinamen „im 
Bart" erhielt. — In seinem edlen Streben, eitf Vater seines Landes zu sein, 
wurde er noch unterstützt durch seine treffliche Gemahlin, Barbara von Man- 
tua, welche er ihm Jahr 1474 heimführte. Zunächst suchte Eberhard die 
Klöster seines Landes zu reformiren und die Chorherrenstifte 
zu verbessern. Doch sah er von seiner vielen Mühe und Sorge wenig Frucht. 
Viel glücklicher war er in dem segensreichsten Werke, das er gestiftet hat: in 
1477. der Gründ ung der Universität Tübingen (1477). Er wollte dadurch „einen 
Brunnen des Lebens graben, daraus von allen Enden der Welt geschöpft möge 
werden tröstliche und heilsame Weisheit, zur Erlöschung des verderblichen Feuers 
1) Nach der damaligen Sitte übersetzte er seinen deutschen Namen in den griechischen 
„Nauclerus".
	        
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