82 III. Württemberg als Herzogthum.
schast, Ermäßigung der Abgaben und Religionsfreiheit verlangten. Um mit
dem Adel eine Verbindung herzustellen, zwangen sie den alten Raubritter Götz
von Verlichingen zur Annahme deS Oberbefehls.
Am gleichen Tage, an dem die fränkischen Bauern die Greuel in
Weinsberg verübten, erhoben sich die Württemberger im Zabergäu und im
Bottwarthale. Sie bildeten den „h ellen christlichen Haufen" unter M a-
ternus Feuerbacher und Hans Wunderer, und verfuhren mit viel
mehr Mäßigkeit als alle andern Hausen. Da sie 25,000 Mann stark waren,
wußte sich die österreichische Regentschaft in Stuttgart nicht mehr zu helfen.
Als sie deßhalb zur Stillung deS Aufruhrs den Landtag anhielt, erhielt dieser
von den Bauern zur Antwort: „Was wir wollen, daS ist die rechte Gerech-
tigfeit und das lautere Evangelium, nicht aber das Dimperlin, Damperlin!"
Beamte, Adel und Weltgeistlichkeit wurden gewöhnlich geschützt. Nur die Klöster
wurden ausgenommen und auch theilweise zerstört, was die Anführer nicht immer
hindern konnten. Nachdem sie in Stuttgart eingezogen waren, vereinigten sie sich
mit den Rem Schaler Bauern, welche die Klöster Adelberg und Lorch und die
Burgen Teck und Hohenstaufen zerstört hatten. Georg Truchseß aber war wegen
der WeinSberger Vorfälle schnell von Weingarten ins Neckarthal gezogen, als der
Haufe deS Feuerbacher Herrenberg belagerte. Auf Befehl des Schwäbischen Bundes
wandte sich Truchseß dem Gäu zu. Feuerbacher, der mit ihm unterhandeln wollte,
aber von den Bauern und dem Herzog Ulrich davon abgehalten wurde, trat vom
Oberbefehl zurück, der nun thörichterweife, zum zweitenmal in diesem Krieg, einem
Edeln, dem Schenk von Winterstetten, einem nahen Verwandten deS
Truchseß, übertragen wurde. Dieser führte die Bauern ungeschickt umher und
ließ sich von Georg im Böblinger Walde überfallen; in dieser Schlacht fielen
5000 Bauern 1). Von da zog der Sieger gegen den schwarzen Haufen, den er in
der Schlacht bei Königshofen schlug. 6000 Bauern wurden erschlagen.
Tausende starben nachher noch durch das Schwert. Man rechnet, daß dieser
schreckliche Krieg in ganz Deutschland 100,000 Bauern das Leben gekostet habe.
Die Ruhe war nun wieder hergestellt; die Sieger schritten über die Leichname der
Erschlagenen, und den Uebergebliebenen wurde ein härteres Joch aufgelegt als
vorher.
Die Feinde der Reformation haben die boshafte Behauptung aufgestellt
und zu beweisen versucht, daß die evangelische Lehre LutherS den Auf-
ruhr verursa cht habe 2). Hierauf ist zu erwidern: 1. der „Bundschuh" im
Elsaß, Breisgau und bei Speyer hatte sich schon in den Jahren 1493,- 1505 und
1513, der „arme Konrad" in Württemberg im Jahr 1514, also beide vor LutherS
Austreten erhoben; 2. der Aufruhr begann in gut katholischen Gegenden, wie
1) Melchior Nmmemnacher, der bei der Hinrichtung der Edlen in Weinsberg auf
seiner Pfeife aufgespielt hatte, wurde mit einer Kette au einen Baum gebunden, ringS
um ihn wurde Holz aufgeschichtet und angezündet, und er so^ lebendig gebraten. Der
Truchseß aber ergetzte sich an dem Gehenl des elendiglich zu ^odc ©marterten.
2) So schreibt Erasmus an Luther: „Obgleich du die Bauern nicht anerkennst,
so ist ihr Aufruhr doch nur eine Folge deiner Reformation und eigentlichi dem 2M
Erasmus vergißt dabei, daß er unter denen, die das Ansehen der^katholischen^Geistlich,
feit untergruben, der eifrigste war und day ihn dazu viel mehr die ^pottsucht an¬
getrieben hatte als der Eifer für die Sache des Evangeliums, von welchem Luther
einzig und allein beseelt war.