138 Die Befreiung der Volkskräfte.
ihr gehörten z. B. Uhde, Liebermann, die Worpsweder u. a.) Schier ins Un-
gemessene wuchsen die Schöpfungen der plastischen Kunst. Aber die Denkmäler
wurden immer noch überwiegend in klassischen oder barocken Formen ausgeführt.
Unter dem zunehmenden Einfluß der Sozialdemokratie auf die Massen
wurden Pietät, Achtung vor den nationalen Gütern und Heiligtümern unter-
graben, das Volksempfinden vielfach verflacht und verroht, so daß es in
seinem Begehren und seinen Genüssen häufig einen Eindruck eines sinkenden^
Volkes machte. Auch wirkte der zunehmende materielle Wohlstand in ähnlicher
Richtung auf die höheren Stände. Aber die sittliche Kraft des deutschen
Volkes ist trotzdem groß genug geblieben, um diese Gefahren sofort zu erkennen
und die Arbeit an sich selbst nicht ruhen zu lassen.
So wie die Gediegenheit deutscher Arbeit aus dem Weltmarkt sich einen
der ersten Plätze errungen hat (made in Germany), so bleibt auch die
Hoffnung, daß das deutsche Volk Heldensinn und sittlichen Ernst allen Ver-
suchuugeu, es von seiner Größe herabzuziehen, entgegensetzen wird.
Das deutsche Volk erscheint um die Wende des Jahrhunderts als ein
Hort des Friedens und der Gesittung.
§ 3. Die letzten Veränderungen des Staatenbildes.
Während Deutschlands Aufstieg ein einheitlich geschlossener blieb, drohten
im Osten Europas und Asiens gewaltige Stürme rascher und sprungweiser
Entwicklung.
Ter russisch- Interessengegensätze zwischen Japan und Rußland in der Mandschurei
japanische unfo foen angrenzenden Gebieten führten zu einem schweren Krieg, in dem
der russische Riese vor dem japanischen Zwerge zurückwich. Auch hier war
die Weite der Entfernung, die Macht des Raumes ein Hauptgrund für die
russische Niederlage. Es ließen sich nicht schnell genug und ausreichend
Truppenmassen von Europa bis an das japanische Meer werfen. Hinzu
kam freilich, daß das russische Militärwesen zu Laude und zu Wasser nicht
auf der Höhe war. Die Festung Port Arthur war nicht zu halten. Bei
Mnkden wurden die Russen in einer Riesenschlacht geschlagen. Die russische
Flotte wurde von der japanischen in der Koreastraße versenkt. Japan faßte
Fuß auf dem ostasiatischen Festlande. Seitdem ist dort die Lage zwischen
beiden Mächten gespannt.
Bcrfassungs- Die militärische Niederlage Rußlands führte zur Revolution im Innern,
ßeroegungen. Das russische Volk erkämpfte sich eine Verfassung (Duma).
Selbst die Türkei wurde endlich von der Verfassungsbewegung ergriffen.
Sie trat in die Reihe der konstitutionellen Staateu. Karikaturen von Ver-
sassuugsstaaten entstanden in Persien und China, während Japan durchaus
zu den modernen gesunden Staatengebilden gezählt werden muß.
Druck von Velhagen & Klasing.in Bielefeld.