Erster Abschnitt. Die franz. Revolution, Napoleon f. und die Freiheitskriege. 35
(§ 33) boten ihnen den willkommenen Anlafs dazu. Kaiser
Leopold II., der Bruder und Nachfolger Josefs II., der von 1790
bis 1792 regierte, mochte zu Gunsten seiner Schwester und seines
Schwagers nichts Ernsthaftes unternehmen, während die Girondisten
immer eifriger zum Kriege trieben. Sie nötigten dem Könige ein
girondistisches Ministerium auf, und von diesem gezwungen er¬
klärte Ludwig XVI. dem Sohne und Nachfolger Leopolds II.,
Franz II. — er regierte von 1792-1806. bezw. 1835 — den
Krieg. Da nun Österreich seit kurzem mit Friedrich Wilhelm II.
von Preufsen verbündet war, so begann auch dieser den Krieg.
b) Der Feldzug von 1792 endete für die Verbündeten, trotz¬
dem die französischen Revolutionsheere sich in einem sehr
schlechten Zustande befanden, mit einem völligen Mifserfolffe.
Das lag
1. an der Einwirkung der polnischen Frage, in der sich
Österreich und Preufsen eifersüchtig gegenüberstanden (§ 43);
2. an der ungeeigneten Persönlichkeit des Oberfeldherrn, des
Herzogs Karl von Braunschweig, der ein Neffe Ferdinands,
des Helden im Siebenjährigen Kriege, war, und an der Zerfahren¬
heit im Hauptquartier, wo sich auch Friedrich Wilhelm II. befand;
3. an dem Irrtum der Verbündeten, die Bevölkerung Frank¬
reichs werde ihnen zufallen. Vielmehr wurde dieselbe durch das
unkluge Koblenzer Manifest (Erklärung) des Herzogs nur noch
erbitterter.
Karl drang durch die Ardennen in die Champagne ein, be¬
gnügte sich aber mit der nutzlosen Kanonade von Val my (westl.
von der oberen Aisne) und trat den Rückzug an (Ende September).
Auf demselben litten die Truppen durch das schlechte Herbstwetter
und durch Krankheiten unsäglich. Bei dem Einzuge Friedrich
Wilhelms II. in Berlin wurde das Brandenburgerthor eingeweiht,
und man hörte hier zuerst das Lied „Heil dir im Siegerkranz“. In
jener Zeit war auch die Marseillaise entstanden, die von den
Parisern so genannt wurde, weil sie das Lied zuerst von Mar¬
seiller Freiwilligen singen hörten.
Im Rücken der abziehenden Heere besetzten die Franzosen
Speier, Worms und Mainz; von der Bevölkerung wurden sie
zum gröfsen Teile mit Begeisterung als Befreier empfangen (vergl.
3*