Full text: Geschichte der neuesten Zeit (Teil 4)

27 
Der Korse machte seinen älteren Bruder Joseph zum König von 
Neapel, den jüngeren, Ludwig, zum König von Holland. Die kleinen 
Fürsten Südroestdeutschlands vereinigte er zu einem Rheinbunde; sie 
mußten aus dem Reich austreten und für die Kriege ihres ,,Protektors" 
jeder ein „Kontingent", eine bestimmte Anzahl Truppen stellen; zum ersten 
Male wieder seit Jahrhunderten winkte den Süddeutschen die Bahn des 
Kriegsruhmes. 
Das Deutsche Reich war ausgelöst: Franz II. erließ die Erklärung, 1806 
„daß Wir das reichsoberhauptliche Amt und Würde durch die Vereinigung 
der konföderierten rheinischen Stände als erloschen und Uns dadurch von 
allen übernommenen Pflichten gegen das Deutsche Reich losgezählt be- 
trachten und die vonwegen desselben bis jetzt getragene Kaiserkrone und 
geführte kaiserliche Regierung, wie hiermit geschieht, niederlegen". 
Seit 1804 führte er bereits den Titel Kaiser von Österreich. 
2. Königin Luise. 
1. Im Frühling nach dem Verluste von Mainz rückten die Preußen 
heran, um die Festung zurückzuerobern. In Frankfurt a. M., das die 
Hessen den Franzosen wieder entrissen hatten, sahen der König und seine 
Söhne die beiden jungen Prinzessinnen von Mecklenburg-Strelitz, die nach 
dem frühen Tode der Mutter in dem benachbarten Darmstadt von der 
Großmutter, der Prinzessin Georg, erzogen worden waren; der Vater 
erbte ein Jahr später nach dem Hingang seines Bruders, den Fritz 
Reuter als „Dörchläuchting" verewigt hat, den Strelitzer Thron. Die 
liebliche Luise gewann im Fluge das Herz des Kronprinzen; und an 
einem schönen Maitag kam sie mit ihrer Schwester Friederike, die 
mit dem zweiten Königssohn verlobt worden war, ins Feldlager vor 
Mainz, die „Altesse royale de mon coeur" zu besuchen: wie zwei himm- 
tische Erscheinungen traten die blonden Fürstentöchter auch vor die Augen 
Goethes, der seinen Herzog abermals in den Krieg begleitet hatte. 
Noch im nämlichen Jahr zog die Kronprinzenbraut in Berlin ein 1793 
unter dem Iubelgruß der Bevölkerung; an einer Ehrenpforte überreichten 
junge Mädchen Blumen und Gedichte, und Luise umarmte und küßte die 
Sprecherin. Im Weißen Saale des Königsschlosses geschahen am Vor- 
abend des Weihnachtsfestes die beiden Trauungen; der märkische Edel- 
knabe Achim von Arnim hat den Anblick der spätem Königin nie ver¬ 
gessen, „wie sie gesenkten Hauptes im Glanz ihrer Schönheit durch die 
gedrängten Säle schritt". 
Inmitten des genußsüchtigen Hofes baute sich nun das Kronprinzen- 
paar, unbeschadet der Lebens- und Tanzlust der jungen Frau, sein häus-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.