Full text: Geschichte der neuesten Zeit (Teil 4)

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wir sollten der Lust eines Vaterunsers lang entbehren? Solche Güter 
sind die größten und die allerverachtetsten, darum daß sie gemein sind. 
Martin Luther. 
101. Einmal ist Keinmal. 
„Einmal ist Keinmal.“ Dies ist das erlogenste und schlimmste 
unter allen Sprichwörtern, und wer es gemacht hat, der war ein 
schlechter Rechnungsmeister oder ein boshafter. Einmal ist 
wenigstens Einmal, und daran lässt sich nichts abmarkten. Wer 
Einmal gestohlen hat, der kann sein Lebenlang nimmer mit 
Wahrheit und mit frohem Herzen sagen: „Gottlob, ich habe mich 
nie an fremdem Gut vergriffen!“ Und wenn der Dieb erhascht 
und gehenkt wird, alsdann ist Einmal nicht Keinmal. Aber das 
ist noch nicht alles, sondern man kann meistens mit Wahrheit 
sagen: „Einmal ist zehnmal, und hundert- und tausendmal.“ Denn 
wer das Böse angefangen hat, der setzt es gemeiniglich auch fort. 
Wer A gesagt hat, der sagt auch gern B, und alsdann tritt zu¬ 
letzt ein anderes Sprichwort ein, „dass der Krug so lange zum 
Brunnen gehe, bis er bricht“. Johann Peter Hebel. 
102. Das Weihnachtsland. 
1. Der kleine Vogel. 
Am Morgen eines Tages, kurz vor Weihnachten, nahm Werner 
das Küchenbeil über die Schulter und ging allein in den Wald, denn 
der Förster, welcher den artigen Knaben gern sah, hatte ihm auch in 
diesem Jahre wieder erlaubt, sich selbst ein Tannenbäumchen für den 
Weihnachtsabend abzuhauen. Ausgesucht hatten die Kinder sich dieses 
schon lange und waren nach vielem Beraten und Erwägen einig ge¬ 
worden, daß im ganzen Walde kein schöneres zu finden sei. Es stand 
ziemlich weit draußen ganz allein unter dem Schutz einer einzelnen 
alten Buche und war so nett und adrett und zierlich gewachsen, daß 
es eine wahre Freude war. 
Es war ein schöner, milder Wintertag, die Sonne schien vom 
unbewölkten Himmel, und der Waldboden war mit ein wenig Schnee 
wie mit Streuzucker gepudert, so recht ein Tag für die kleinen Wald¬ 
vögel, welche im Winter bei uns bleiben. Man hörte in der stillen 
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