Full text: Lehrbuch der Geschichte der älteren orientalischen Völker und der Griechen (Teil 1)

I. § 7. Land und Fluß. 9 
Das Gebirge öffnet sich bei Syene zu einer 3 bis 4 Stunden breiten Felsen- 
spalte, welche fast bis zum Mittelmeer (bis zur Stadt Memphis) reicht. Das Land 
dazwischen ist Ägypten, und durch dasselbe fließt der breite Nil ruhig dahin. Unter- 
halb der Stadt Memphis theilt er sich in zwei Haupt- und mehrere Nebenarme, 
welche eine ausgedehnte Mene, das Nildelta genannt, umfassen. Dieselbe machte 
durch ihre Fruchtbarkeit..Agypteu zur „Kornkammer" der alten Welt. 
Im Westen ist Ägypten durch Felshöhen vor dem Flugsande der großen Wüste 
geschützt. Auch im Osten ist es von den Sanddünen, welche sich bis zum arabischen 
Meerbusen hinziehen, durch Felsklippen getrennt. Diese enthalten Marmorbrüche, 
Porphyrgestein seine rothe Steinart) und kostbare Edelsteine. Im Ganzen besteht 
das Gebirge an der Südgrenze aus Granitgestein, wovon es verschiedene 
Arten gibt: rothes, dunkelgrünes u. a. 
Fruchtbar wird das Nilland allein durch die Überschwemmungen des Nils. 
Alljährlich, zur Zeit der Sommersonnenwende (Mitte Juni), wenn auf den Gipfeln 
der Hochgebirge der Schnee schmilzt und die tropischen*) Regengüsse eintreten, schwillt 
ber Fluß allmählich. Er überfluthet sein ganzes Thal bis an die dasselbe einschlie- 
ßenden Bergreihen. Ende August ist er über seinen niedrigsten Stand, welcher 5 bis 
6 Fuß beträgt, 20 Fuß höher gestiegen. Dann werden die Dämme geöffnet und die 
Fluthen in die Kanäle geleitet, welche die Menschen dort schon frühzeitig anlegen 
lernten, um das Wasser auch in die höher gelegenen Gegenden zu führen. In dieser 
Zeit gleicht das ganze Land einem durch unzählige Barken belebten See, aus welchem 
die Städte wie Inseln hervorragen. Nach nochmaligem Steigen fällt der Nil von 
Mitte October an, indem er überall einen fruchtbaren Schlamm zurückläßt, nämlich 
die Fruchterde, welche er in den oberen Gebirgsländern weggeschwemmt hat. Un¬ 
mittelbar nach dem Zurücktreten des Flusses, im November, beginnt man zu säen, 
und im März ist die Ernte. Darauf folgen 3 Monate der Dürre, bis der Nil wieder 
zu steigen beginnt. 
Die Bewässerung des Bodens und die Abkühlung der Luft durch die Nilslnthen 
gerade in den heißesten Monaten sind um so werthvoller, weil der blauglänzende 
Himmel des oberen Flnßthales fast niemals durch Regenwolken getrübt wird, und es 
in Oberägypten oft in 15 Jahren nicht regnet. Durch die Leichen, welche vom Nil 
zurückgelassen werden, entstehen aber oft auch Seuchen in Ägypten. — Der Nil erhöht 
durch den jährlichen Niederschlag des Schlammes deu Boden Ägyptens nach und 
nach. Das macht ungefähr auf 250 Jahre 1 Fuß. In uralter Zeit hat er sogar 
Unterägypten erst angeschwemmt, das man im Alterthum ein Geschenk des Nils 
nannte. — In Jahren, in denen der Nil nur einen kleinen Theil des Landes über¬ 
schwemmt, gibt es eine Mißernte. 
§ 7. 
Landeseintheilung und Volk. 
Das ägyptische Land, welches nahe an der Grenze der heißen Zone 
beginnt, wird in 3 Theile getheilt: 
1. Oberägypten. Hauptstadt: das hundertthorige Theben, auf 
beiden Seiten des Flusses, erstreckte sich 4 Stunden in die Breite und 2 
Stunden in die Länge. Zwischen dem östlichen und westlichen Theile der 
Stadt bestand .ein lebhafter Schiffsverkehr auf dem hier schon 1300 Fuß 
breiten Nil. — Weitere Städte: Philä, ganz im Süden, und nahe dabei 
Elephantine, beide auf Nilinseln. 
2. Mittelaaypten. Hauptstadt: Memphis. Sie hatte 6 Stun- 
den im Umfange. Die größeren Schiffe des Mittelmeeres konnten auf dem 
Nil bis zu ihr gelangen. Sie lag im Süden des heutigen Kairo, an der 
Grenze von Unterägypten. Die Trümmer von Memphis sind heute durch 
den Schlamm des Niles und durch den Sand der Wüste ganz und gar be- 
deckt, s. unten § 12. — 24 Stunden südlich von Memphis, im Westen des 
Landes, liegt eine große, runde Ebene, von Bergen eingeschlossen und durch 
*) Tropenländer heißen die zwischen den beiden Wendekreisen gelegenen Länder.
	        
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