24 Die Gründung Noms, Romulus und Remus. III. § 12.
Stromes trieben die Mulde mit den darin ausgesetzten Zwillingen bis an
den Fuß des Palatinischen Hügels, wo damals noch dichter Wald
war. Die Mulde blieb in der Nähe einer Höhle des Lupercus in den
Wurzeln eines wilden Feigenbaumes hängen. Dieser wilde Feigenbaum
wurde viele Jahrhunderte hindurch in der Stadt Rom am Fuße des pala-
tinischen Hügels erhalten.
Aus der Höhle des Lupercus kam eine Wölfin herbei und nährte
die hüls losen Zwillinge, während der Specht und
der Kibitz (die Vögel des Mars) die Kinder
schützend umschwebten. So fand sie Faustulus,
der Aufseher der königlichen Herden. Er brachte
die Kinder seinem Weibe Acca Larentia zur
Pflege.
Lange danach, im Jahre 295 v. Chr., wurde am
Ficus Ruminalis eine Wölfin mit den Säuglingen in
Erz errichtet. Dies ist das älteste römische Kunstwerk,
welches uns erhalten ist.
ro v,, c m „ Die Knaben wuchsen heran p kräftigen,
Faustulus gefunden.ü£m mutigen Jünglingen voll königlichen Anstandes.
Bei einem Streite der königlichen Hirten mit
denen des Numltor wurde Remus gefangen genommen und vor seinen
Großvater gebracht, welcher den Enkel erkannte. Unterdessen hatte auch
Faustulus dem Romulus seine Abkunft entdeckt. Dieser zog mit seinen
Gefährten in die Stadt, vereinigte sich mit Remus und den Leuten Numr-
tors, und die Brüder töteten den Amulius und gaben ihrem Großvater
Numltor den Thron zurück.
An der Stelle ihrer Aussetzung und wunderbaren Rettung am linken
Ufer des Tiber wollten die Zwillingsbrüder nun eine Stadt gründen. Nu¬
mltor gab ihnen Land und Leute zu diesem Zwecke. Es entstand aber Streit
nnter ihnen über den Ort der Gründung und wer der Stadt den Namen
geben sollte. Romulus war für den Palatinischen, Remus aber für
den aventinischen Hügel. Die Götter sollten durch den Flug der
Vögel die Streitfrage entscheiden. Jeder der Brüder begab sich auf den
Gipfel des von ihm erwählten Hügels und verbrachte die Nacht mit Gebeten
und frommen Handlungen. Beim Aufgang der Sonne erschienen dem Re¬
mus 6, gleich darauf aber dem Romulus 12 Geier. Der letztere
wurde als Sieger angesehen; Remus aber hegte Groll im Herzen über die
Zurücksetzung.
Schon hatte Romulus die Furche um den Boden gezogen, auf
dem er die Stadt gründen wollte. Die Vertiefung derselben sollte den
Graben, die Erhöhung den Wall vorstellen. Remus sprang spottend über
die niedrige Stadtmauer, da erschlug ihn Romulus, heftig erzürnt, indem
er sagte: „Das hinfort jedem, der über meine Mauer setzt."
Romulus legte auf dem Palatinus den Grund der Stadt nach etrus¬
kisch em, heiligem Gebrauche: zuerst wurde eine runde Grube gegraben, in
welche die Erstlinge der Natur gelegt wurden, auf welche jeder ein kleines Stück
Erde warf von dem Lande, aus welchem er gekommen war. Hierauf beschrieb No¬
mulus um diese, Mundus genannte, Grube den Umfang der Stadt wie einen
Kreis um einen Mittelpunkt, d. h. er spannte an eine eherne Pflugschar einen Stier
(nach außen) und eine Kuh (nach innen) und zog eine tiefe Furche um die Grenze.
Durch den Stier und die Kuh wurden des Mannes kräftiges Handeln nach außen
und des Weibes Wirken und Schaffen im Innern angedeutet. Die hinter dem Pfluge
Hergehenden wendeten alle Schollen einwärts. — Die Stadt hatte damals 1/2 Stunde
Fig. 8.