Full text: Vaterländisches Lesebuch für die obern Klassen in den Volksschulen Bayerns

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100. Von dem Gewitter. 
so geht es fort, bis diese geheimnisvolle Kraft im Siegellack 
geschwächt worden ist, und man die Stange wieder reiben 
muss, um die Erscheinung abermals zu bewirken. Dasselbe 
wird erfolgen, wenn ich Glas, Harz oder Bernstein reibe. 
Mache ich solche Versuche im Dunkeln, so bemerke ich beim 
Reiben einen Lichtschein um die Siegellackstange herum. 
Wäre die Oberfläche derselben gross genug, und würde sie 
sehr stark gerieben, so würde, wenn ich meinen Finger¬ 
knöchel ihr näherte, ein kleiner Funke knisternd aus ihr 
hervorspringen und ich in meinem Knöchel ein leises Stechen 
empfinden. Fahre ich mit dem geriebenen Siegellack nahe 
am Gesichte hin, so entsteht ein Gefühl, als wenn Spinngewebe 
an die Haut geflogen wären; zugleich nehme ich einen be¬ 
sonderen Geruch war. Die Kraft, durch welche die 
Körper im Stande sind, solche Erscheinungen her¬ 
vorzubringen, nennt man Elektrizität. Diesen Namen 
hat man vom Bernstein abgeleitet, welcher griechisch Elektron 
heisst, und an dem schon die Alten jene Wirkungen entdeckt 
haben sollen. 
Auch in der Luft ist Elektrizität verbreitet, einmal mehr, 
einmal weniger. Man nimmt an, dass besonders durch Wasser¬ 
verdunstung die Luft in elektrischen Zustand versetzt werde. 
Ist nun die Luft hier und dort mit Elektrizität überfüllt, so 
suchen die einzelnen Luftschichten oder Wolken sich dieselbe 
mitzuteilen und dadurch die Elektrizität auszugleichen. Da¬ 
bei fährt ein gewaltiger elektrischer Funke aus der einen 
Wolke in die andere oder auch zur Erde hernieder; und das ist 
der Blitz. Durch seinen Glanz bringt er das starke Leuchten 
hervor, und dadurch, dass die Luft von dem durch sie hin¬ 
durchfahrenden Blitz plötzlich zerrissen wird und ebenso plötzlich 
hinter ihm sich wieder vereinigt, wird der Donner erzeugt. 
Das länger dauernde Hin- und Herrollen des Donners entsteht 
durch das zwischen den Wolken gebildete Echo. 
Den Blitz sehen wir jederzeit früher, als wir den Donner 
hören; denn das Licht macht seinen Weg mit viel grösserer 
Schnelligkeit als der Schall. Das Licht durchläuft nämlich 
über 42000 Meilen in einer Sekunde, während der Schall 
in der gleichen Zeit nur ungefähr 300 m zurücklegt. Je 
längere Zeit daher zwischen dem Blitz und Donner vergeht, 
desto entfernter ist das Gewitter. Zählt man die Sekunden 
— Pulsschläge — zwischen dem Blitz und Donner, so kann 
man die Entfernung des Gewitters annähernd berechnen. Im 
allgemeinen nimmt man an, dass für jede Meile Entfernung 
der Gewitterwolke ungefähr 20 Sekunden Zeit zwischen dem Blitz 
und dem Hörbarwerden des Donners gerechnet werden dürfen. 
Folgt der Donner unmittelbar nach dem Blitz, so ist das 
Gewitter sehr nahe; wenn es dagegen weit entfernt ist, so
	        
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