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Ist das Zuckerrohr reif, so wird es abgeschnitten und auf den
Zuckermühleu zwischen hölzernen Walzen, die ein Räderwerk gegen
einander drückt und umdreht, zerquetscht und ausgepreßt. Von den
Zückermühlen wird der Saft sogleich in die Siedehäuser gebracht, wo
er durch Kochen verdickt wird. Ist er dick genug, so wird er abgekühlt,
wobei er gerinnt. Was noch nicht geronnen ist, wird durch Fäster
mit durchlöchertem Boden abgelassen und zu einer Art gröberen Zuckers
verwandt. Der geronnene Theil, welcher bräunlich aussteht, heißt nun
Rohzucker, auch Puderzucker. In dieser Gestalt kommt er zu
uns nach Europa. Hier wird er in Zuckersiedereien von neuem aus¬
gelöst und gekocht. Beim Kochen wird Kalkwasser, Rindsblut und
Eiweiß hinzugegossen, wodurch der Schmutz nach oben getrieben wird,
der sich nun abschäumen läßt. Zuletzt wird er in kegelförmige Gefäße
gegosien, deren nach unten gekehrte Spitze eine Oeffnung hat. Was
nicht gerinnt (krrsttallisirt), fließt durch diese Oeffnung ab und heißt
Syrup. Der obere breite Theil des Zuckerhutes wird mit nasser
Thonerde bedeckt, welche die letzte Unreinigkeit hinaustreibt und dem
Zucker die gehörige Weiße giebt. Aus diesem Hutzucker entsteht
durch abermaliges Kochen und Krystallisiren der klare Kandiszucker.
Der Zuckerstoff findet sich in vielen Pflanzen; den meisten ent¬
halten aber das Zuckerrohr, die Traube, die Runkelrübe und der
Zuckerahornbaum.
65. Die Befruchtung der Blüthe.
Ter wichtigste Vorgang im Leben der Pflanze ist die Befruchtung.
Die Hauptrolle spielen dabei Griffel und Staubfäden. Auf den Staub¬
fäden sitzen die Staubbeutel, kleine Kölbchen, in welchen der Blüthen-
staub reift. Genau betrachtet besteht dieser aus einer großen Menge
winziger Körnchen. Haben sie ihre volle Ausbildung erlangt, so springt
bei der leisesten Erschütterung das Kölbchen auf, und der Blüthenstaub
fliegt wie ein kleines Wölkchen heraus. Wenn nur ein einziges dieser
winzigen Körnchen oben auf den Griffel gelangt, so hat die Befruch¬
tung ihren Zweck erreicht.
Der Griffel ist eigentlich ein hohles Röhrchen, das sich unten
zum Fruchtknoten erweitert und oben eine freie Oeffnung, die Narbe,
hat. - Diese schwitzt zu rechter Zeit eine klebrige Feuchtigkeit aus. Um
so eher haftet ein Staubkörnchen darauf. Sobald dieses geschehen ist,
so nährt sich das Staubkörnchen sofort von dieser Feuchtigkeit. Es
wächst und bildet einen zarten Schlauch, der sich allmählich verlängert,
durch die Griffelröhre hinunterdringt und sich in den Fruchtknoten ein¬
bohrt, in dem sich nach und nach die Samenknospe entwickelt.
Damit die Befruchtung gelinge, d. h. damit das Staubkorn auf
die Narbe gelange, nimmt die Natur verschiedene, oft höchst wunder¬
bare Hülfsmittel in Anspruch. Wo die Staubgefäße rings in gleicher
Höhe den Griffel umgeben, gelangt der Staub leicht auf dieserr; wo