Kaiser Augustls. 205
herrschaft gewöhne. Agrippa trat dem Mäcenas endlich bei,
und beide Männer leiteten den Octavianus auf seiner Hoͤhe
mit ihrer Weisheit, und das Volk fing allmählig an, sich
unter dessen Regierung glücklich zu fühlen. Octavians Allein-
herrschaft war das goldene Zeitalter der römischen Geistes-
bildung, von welcher wir wenigstens Einiges anführen müssen.
Unter Augustus lebten die größten Dichter, die Rom
je besessen hat. Virgil strebte, durch seine Aeneis, deren
Held Aeneas ist, seinem Volke ein Homer zu werden, und
wenn er dieses hohe Ziel auch nicht erreicht hat, so sind seinem
Heldengedichte doch hohe dichterische Schönheiten und eine
seltene Kunstfertigkeit nicht abzusprechen. Selbstständiger und
anmuthig feiert er die Lieblingsbeschäftigung der Römer in sei⸗
nem Gedichte vom Landbau. Seine Ecclogen sind liebliche Ge—
mälde aus der Hirtenwelt, bei denen Theokrit sein Muster war.
Wenn Virgil der größte epische und idyllische Dichter
der Römer ist, so muß Horaz für den bedeutendsten lyri—
schen angesehen werden. Seine Oden nehmen einen hohen
Schwung, sind bald heiter, bald ernst, und immer gefällig.
In seinen Satyren und Episteln herrscht tiefer Ernst, ge—
paart mit feinem Spott und mit Lebensweisheit.
Ovid schrieb dichterische Briefe (Heroiden), Metarmo—
phosen (Erzählungen von Verwandlungen aus der Mytho—
logie), und elegische Klagen. Die Metarmophosen werden
am meisten geschätzt. Er ist leicht und lieblich, aber oft
leichtsinnig und unrein.
Unter Augustus glänzte noch als Geschichtschreiber Ti—
tus Livius, der die ganze römische Geschichte bis auf
seine Zeit in 142 Büchern lieferte, von denen wir aber
nur 35 mehr besitzen. Seine Schreibart ist voller Pracht
und Würde. Auch griechische Schriftsteller lebten unter Oc—
tavian, nämlich Dionysius von Halikarnaß und Di o—
dor von Sicilien, ebenfalls Geschichtschreiber, und endlich
Strabo, ein Geograph.
Zu den Zierden des goldenen Zeitalters der römischen
Literatur, das vom Tode des Sulla beginnt und mit dem
Tode des Augustus sich abschließt, gehören noch Cornelius
Nepos, der in einem leichten und fließenden Style kurz
die Lebensbeschreibung griechischer Feldherren mittheilt, fer⸗