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Antiquitäten der Römer.
II. Verhältnisse der übrigen Bewohner des Reiches.
I. C. W. Hopfensack: Staatsrecht der Unterthanen der Römer.
Düsseldorf. 1829.
57.
Es vergingen fast fünfJahrhunderte unter fortwährenden Kriegen,
ehe die Römer zum vollen und festen Besitze des alten Italiens, d. h.
des Landes zwischen dem Rubikon und der sicilischen Meerenge, gelang¬
ten: nicht ein Volk war hier zu besiegen, nicht eine Stadt zu erobern,
sondern eine Menge von Völkern, eine noch weit größere Menge von
Städten. Diese tLiege und diese Eroberungen erfolgten nicht überall
unter gleichen Umständen und auf gleiche Weise: einige Feinde leisteten
stärkeren, andere schwächeren Widerstand, einige wurden gänzlich unter¬
worfen, andere nur zu einer bedingten Abhängigkeit gebracht, einige
erwarben Ansprüche auf Dankbarkeit, andere blieben zu fürchten und so
war es denn natürlich, daß, als das Land im Allgemeinen den Römern
gehorchte, nicht alle Theile in gleichen staatsrechtlichen Verhältnissen
standen. Eine gewisse Selbstständigkeit finden wir überall, selbst in den
Gegenden, welche gänzlich unterworfen gewesen waren, denn dahin
hatte man römische oder lateinische Kolonisten geschickt; zu Abgaben
und Kriegshülfe war ganz Italien verpflichtet, dieein-
zelnen Städte bestanden jedoch als Bundesgenossen mit
mehr oder weniger freien republikanischen Verfassun¬
gen und einem größeren oder geringeren Antheile an den
römischen Bürgerrechten fort. Nach ihrer verschiedenen staats¬
rechtlichen Stellung unterschied man unter den Städten Municipia,
Coloniae*), Praefecturae, Fora unb Conciliabula.
Nachdem die sic,lische Meerenge von den Römern überschritten war,
handelte es sich in den folgenden Kriegen nicht mehr um einzelne Stadt¬
gebiete, sondern um ganze Länder und Reiche. Von da an kamen die
Unterworfenen größtentheils in eine weit schlechtere Lage: sie^ wurden
gänzlich unterthanig, man ließ ihnen auch von innerer Selbstständigkeit
Nichts und gab ihnen keinen Antheil an den römischen Bürgerrechten —
Provinciae, Provinciales **). Einzelne Städte indeß erhielten
eine den italischen gleiche Stellung und so gab es denn auch in den Pro¬
vinzen Municipien, Kolonien u. s. w.
*) Indem die Kolonien hier den Municipien u. s. w. coordinirt werden, ist
ihre bestimmte staatsrechtliche Stellung das, was in Betracht kommt —
nicht ihr wesentliches Merkmal, die Abstammung von einer Mutterstadt.
Es konnten Municipien staatsrechtlich in Kolonien uud Kolonien in Mu¬
nicipien verwandelt werden. Gell. XVI, 13.
**) Italien ist niemals eine Provinz gewesen; die Eintheilung dieses Landes
in vier provinciae quaestoriae war eine rein finanzielle, nur gemacht für
die Erhebung der Abgaben.