— 115 —
Bischof Wilhelm von Utrecht soll erklärt haben: die Lage sei so, daß kein
Bischof dem Könige seinen Treueid halten könne, wenn er nicht mit Gregor
breche. Aber wie nun? Die Synode war nur ein Teil des deutschen,
italienischen und burgundischen Episkopats, also nicht einmal der gesamte
Episkopat dieser Länder. Konnte dieser Teil den Lenker der ganzen Kirche
absetzen? Konnten, durften die versammelten Bischöfe den Papst richten?
Seit Otto I. galt als allgemeine Überzeugung, daß niemand als Gott
den Papst richten könne (S. 72); darum hatte es ja Heinrich III. 1046
dem Papste Gregor VI. überlassen, sich selbst zu richten (S. 94). Der
Gedanke aber, die deutsche Kirche von Rom loszureißen und als eine
eigene, nationale, als eine Volkskirche unter deutscher Leitung zu ge¬
stalten, dieser Gedanke lag der Zeit ganz fern. Die Kirche war ihnen
nicht denkbar ohne den Papst.
Was konnte Heinrich gegen Gregor tun? Die Macht
des Königs ruhte fast noch allein auf der Treue der belehnten Fürsten,
insbesondere der geistlichen. Um dieser Treue sicher zu sein, hatte Otto I.
das Kaisertum erstrebt (S. 70). Das Ottonische Privilegium 962 und die Be¬
schlüsse der Synode zu Sutri 1046 waren Sicherungen der Macht des Kaisers
über den Papst und damit des Königs über den Episkopat. Heinrich IV.
hatte Gregors Wahl 1073 anerkannt, er hatte diesen nun bald drei Jahre
ungehindert amtieren lassen, also durch Anerkennung und Gewährenlassen
auf das Recht der Ernennung und Absetzung des Papstes, wie es sein
Vater 1046 aus der Synode von Sutri geübt (S. 70), verzichtet. Hatte
er jetzt die Macht, zurückzunehmen, was er und seine Mutter aus den
Händen gegeben hatten?
Auf der Synode brach bei den Bischöfen der lange verhaltene
Ingrimm gegen Gregor machtvoll hervor, und darum ließen sie sich
von Heinrich leicht bestimmen, dem Papste Unterwürfigkeit und Ge¬
horsam aufzukündigen. „Und damit nicht etwa jemand von ihnen
es nachher ableugnen könne, ließ er jeden mit Voraussetzung seines
Namens die Absagung gegen Hildebrand auf eine besondere Urkunde
schreiben, in dieser Weise: Ich N., Bischof der Stadt N., kündige
betn Hildebrand Unterwürfigkeit und Gehorsam von dieser Stunde
an und in Zukunft auf und werde ihn von jetzt ab für einen Papst
weder halten noch so benennen."
Der König selbst erhob vier Vorwürfe gegen Hildebrand: er
habe ihn seiner ererbten Würde beraubt, Italien seiner Herrschaft
zu entfremden gesucht, den deutschen Episkopat geschädigt und ihm
zuletzt gedroht, ihm das Leben und das Reich zu entreißen. Da¬
durch gezwungen, gegen ihn aufzutreten, schließe er sich dem Urteil
der Bischöfe an, entsetze ihn aller Rechte des Papsttums und gebiete
ihm kraft seiner patrizischen Gewalt, von dem römischen Stuhl zu
weichen.
■\5Vt folgendem Brief teilte Heinrich IV. Gregor seinen Be--
schluß mit:
„Heinrich, nicht durch Gewalt, sondern durch Gottes weise Ver-
8*