Full text: [Teil 3, [Schülerband]] (Teil 3, [Schülerband])

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auch ungefähr eben so viele Civil- und Privatuniform tragen, die Beamten, Poli¬ 
zisten, Lakaien, Bedienten u. s. w., weshalb denn fast das ganze Publikum bordiert, 
belitzt, besternt, verbrämt und eingekantet erscheint. 
Da das Wetter des Petersburger Himmels erstaunlich wankelmütig ist, so 
verändert sich der Anblick des Petersburger Straßenpublikums ungemein häufig. 
Im Winter die dicken Pelze, im Sommer die leichten Flore und Seidenstoffe. 
Am Abende alles in Mantel und Capots, am Tage alles luftig und bloß. Im 
Sonnenschein die flatternden Elegants und Modedamen, im Regen alles Elegante 
verschwunden und nichts als schwarzes Volk. Heute auf denffSchnee alles Schlitten 
und Schleife, morgen auf den Steinen alles Wagen und klapperndes Rad. 
Noch mehr als die Verschiedenheit des Wetters ändert die Verschiedenheit 
der Religionen den Anblick des Publikums. Freitags, am heiligen Tage der 
Mohammedaner, ergehen sich die Turbans, die schwarzen Bärte der Perser und die 
geschorenen Köpfe der Tataren auf den Straßen. Am Sabbath erscheinen die 
schwarzseidenen Kaftans der Juden, und am Sonntag jubeln die Scharen der 
Christen hinaus. Dazu die Verschiedenheit der christlichen Sekten. Heute läuten 
die Lutheraner zum Bußtage und man sieht die deutschen Bürger, Vater, Mutter 
und Tochter, schwarze Gesangbücher unter dem Arm, nach der Kirche pilgern, — 
morgen rufen die Glocken die Katholiken zu einem Feste der unbefleckten Jung¬ 
srau, und Polen, Litauer, französische und österreichische Unterthanen wallen zu 
den Tempeln; — übermorgen aber bimmeln die tausend Glocken der griechischen 
Kolokolnicks, und nun summt und flattert es auf allen Straßen von den gras¬ 
grünen, blutroten, schwefelgelben, veilchenblauen Töchtern und Frauen der russischen 
Kaufleute. An großen Staatssesten aber, den sogenannten „Kaiserlichen Tagen", 
erscheinen dann alle Trachten, alle Farben und Moden, die von Paris bis Peking 
gang und gäbe sind. Es ist, als wenn Noahs Arche an der Newa gestrandet 
wäre uub ihres sämtlichen bunten Gefieders sich entledigt hätte. 
Eine merkwürdige Festlichkeit ist die alljährlich am 6. Januar stattfindende 
Taufe der Newa, wodurch die ganze Stadt in heilige Aufregung versetzt wird. 
Die Newa ist äußerst fischreich, trägt sehr große Schiffe und gewährt den Peters¬ 
burgern zugleich das Trinkwaffer und in ihren gesellschaftlichen Verhältnissen die 
wesentlichsten Erleichterungen. Es ist daher wohl begreiflich, daß sie ihnen ein 
Gegenstand der Verehrung ist, der sich in einem feierlichen Kultus kundgiebt, der 
in der hochpriesterlichen Weihe des Wassers besteht, das dann von tausenden und 
abertausenden in Gefäßen aller Art geschöpft und nach Hause gebracht wird, um 
damit ihre Bogs, Gottesbilder, die jeder Russe in seinem Hause hat, zu besprengen 
und die bösen Geister zu bannen. Das Wasser, also geweiht, wird gleicherweise 
auch für eine Universalmedizin gegen Krankheiten des Körpers und des Geistes 
gehalten. — Die Feierlichkeit selbst beginnt inittags 12 Uhr in dem Augenblicke, 
ivo der Kaiser unter dem Donner der Kanonen von der Citadelle entblößten 
Hauptes sein Palais verläßt und, gefolgt von seinem ganzen Hofe, dem Stabe 
und der höheren Geistlichkeit, dem großen, mit Heiligenbildern verzierten, aus dem 
Eise errichteten Pavillon zuschreitet. Das bis jetzt ununterbrochen tönende Ge¬ 
läute verstummt, und der Archimandrit mit seiner Geistlichkeit stellt sich an die 
Öffnung im Eise, liest die Messe, segnet das Wasser der Newa und ruft: „Herr,
	        
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