Full text: Großes Lehrbuch der Geographie (Ausg. C)

410 
Mitteleuropa. 
9) Poitou und Saintouge (Vienne, Deux-Sèvres, Vendée, Charente, Charente- 
Inférieure). — Poitiers, am N.-Ende der als Eingangspforte zum s.w. Frankreich 
wichtigen und deshalb oft umkämpften Senke non Poitou. Nach der Küste zu senkt 
sich diese Wasserscheide allmählich zur Niederung der buschreichen Vendée hinab. Die 
s. Vendée bis in die Umgebung non La Rochelle erinnert durch Bodenbildung, Acker- 
baunerhältnisse und Wohnweise stark an die friesischen Marschen. Auch hier sitzt die Be- 
nölkerung im allgemeinen nicht dorfweise zusammen, sondern der einzelne wohnt in der 
Mitte seiner Ländereien, die durch Gräben und Knicks1 non denen der Nachbarn ge¬ 
trennt sind. Mit der Natur ihres Landes im Bunde und festhaltend an Königtum, Aßel 
und Geistlichkeit, leisteten daher zu den Zeiten der ersten Renolution die in der Einfalt 
alter Zeit aufgewachsenen Bewohner den Heeren der Republik nachhaltigen Widerstand, 
bis es endlich (1800) dem Ersten Konsul gelang, die Vendes zu „beruhigen". Auch früher 
schon, in den Religionsstreitigkeiten des 16. Jahrh., hatte der Bürgerkrieg hier gewütet. 
— Die befestigten Hafenstädte La Rochelle (rupella), früher der wichtigste Waffenplatz 
der Hugenotten, seit langem Sitz des Handels mit Cognac, non dem in günstigen 
Jahren 4 Milt, hl ausgeführt wird, und Roch esor t (nahe der Mündung der Charente) 
sind durch die Versandung der Küste schwer bedroht. La Rochelle, einst durch Handel 
und Verkehr blühend, dann fast zur einsamen Landstadt geworden, hat jüngst in La 
Pallice einen großen neuen Vorhafen erhalten. 
0. Die Ebene des Südens. 
10) Guienne und Gascogne, mit Bear» [Bear] (Gironde, Dordogne, Lot-et- 
Garonne, Lot, Aveyron, Tarn-et-Garonne, Landes, Gers, Hautes- und Basses- 
Pyrénées); am Atlantischen Meere und an der spanischen Grenze. — Bordeaux (Bur- 
digala; 255), an der unteren, bis hierher für Seeschiffe fahrbaren Garonne, schon in 
römischer Zeit der größte Handelsplatz der ganzen ozeanischen Küste Galliens, jetzt 
Mittelpunkt des Weinhandels für den S.W. Frankreichs. Weinbaubezirk Medoc (untere 
Gironde). — Am Ausfluß des Adour die befestigte Handelsstadt Bayonne (Bajonette). 
In der Nähe Biarritz (biarißj, berühmtes Seebad mit reiner, milder Luft, am Fuße 
des Hochgebirgs. Ö. danon Pau, in schöner Lage. — Im Périgord (45° hl) der be¬ 
rühmte TrüffelbodeiG. In den Kellern des Kalkgebirges non Roquefort, im Aneyron 
(44° hl), gedeiht der bekannte Schafkäse. - ! 
11) Languedoc, mit Roussillon und Foix (Haute-Garonne, Tarn, Aude,^ Hérault 
serös, Gard, Lozère, Haute-Loire, Ardèche, Pyrénées-Orientales, Ariège) — 
Toulouse (150), fast in der SOiitte zwischen beiden Meeren, an der hier schiffbar wer¬ 
denden Garonne und dem Canal du Midi, der hier beginnt, schon in der gallischen Zeit 
eine bedeutende Stadt, im frühen Mittelalter Hauptstadt des Tolosanischen Reiches der 
Westgoten. — Narbonne (Narbo), bis in die letzten Zeiten des Römerreiches ein 
reicher Handelsplatz, ist erst im Mittelalter durch Versandung (s. oben S. 402) seines 
Hafens zur unbedeutenden Stadt herabgesunken. Von der einstigen Blüte zeugen 
zahllose Bau- und Skulpturbruchstücke und Jnschriftsteine3; an wohlerhaltenen Baudenk¬ 
malen ist es weniger reich als Nîmes. — Cette, auf einer Nehrung, nor dem sogen, 
„inneren Meere non Cette" (étang de Thau). —Montpellier (75), berühmte medizi¬ 
nische Schule, deren Stiftung bis auf die Araber zurückgeht. — Nim es (80, Nemausus), 
mit großartigen Überresten römischer Bauten, trotz ihrer Lage in wasserloser Umgebung 
auch jetzt noch eine durch Gewerbfleiß (Seiden- und Daumwollenfabriken) blühende Stadt. 
1 Auf der jütischen Halbinsel und in Holstein versteht man unter Knicks schmale, bis zu 3 m hohe 
und mit Strauchwerk gekrönte Erdwälle, errichtet zum Schutze der durch sie eingefriedigten Felder gegen 
die stürmischen Winde und gegen Versandung. In der Vende'e ist leider stark damit aufgeräumt 
worden. 
2 Frankreich führt jährlich \ Mill. lg Trüffeln aus (für IG Mill. Mk.). davon allein aus dem 
Pirigord 400 000 kg. 
3 Ebenso steht es mit zahlreichen anderen, vom Verkehr abgeschnittenen „toten" Städten im 
Languedoc und der Provence. Wie in der »pulcherrima Narbo« zeigt sich ihr früherer Glanz nur noch 
in ihren Ruinen aus der kaiserlichen Römerzcit oder in ihrem ernsten, mittelalterlichen Gepräge.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.