1789
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Zur Messezeit sah man Hunderte von großen Frachtwagen am weißen
Roß und auf dem Wollmarkte stehen. Wenn der Kaufmann eine Ge¬
schäftsreise nach Hamburg unternehmen wollte, so machte er vorher sein
Testament, denn auf den holprigen Landstraßen waren Unglücksfälle
garnichts Seltenes, und die Reise dauerte mindestens acht Tage. In
Braunschweig begann man fast zuerst mit dem Bau guter und solider
Landstraßen, wozu der Harz vortreffliche Steine lieferte. Man reiste
meist im eigenen Wagen, denn die Post war unerschwinglich teuer, und
es gab Handelshäuser, welche 20 Gespanne für die Geschäftsreisenden
hielten. Schrecklich waren die Zollplackereien, denn jedes deutsche Läud^
chen war durch Zollschranken von dem Nachbarlande abgesperrt (Mattier¬
zoll). Noch vor 70 Jahren mußten sich Reisende auf einer Reise durch
den Harz 14mal die Koffer nach Steuerbarem durchwühlen lassen. Das
Leben der Bürger in den Städten und die gewerblichen Verhältnisse
siehe Deutsche Jugend 6, Eine deutsche Stadt gegen Ende des vorigen
Jahrhunderts. Das Zunftwesen im 17. und 18. Jahrhunderts.
Auch die Bauern lebten im Braunschweiger Lande in einer glück¬
lichen Lage, denn schon von früheren Herzögen waren die Lasten der
Leibeigenschaft und der Hörigkeit bedeutend gemildert worden. Karl
Wilhelm Ferdinand erleichterte wieder das Los der in anderen Ländern
noch hartgedrückten Landleute. Er verminderte die Zehnten und Herren¬
dienste, unterstützte die Bauern aus der fürstlichen Kammer und ließ sie
in der Landwirtschaft belehren (Deutsche Jugend 3, Herzog Karl Wil¬
helm Ferdinand). Auch zeigen sich bei ihm schon Spuren einer konsti¬
tutionellen Verfassung, indem er in den berühmten Mai-Verordnungen
1. Mai 1794 bestimmt, ohne die Einwilligung der Landstände sollte
weder eine Veräußerung noch Verpfändung von Staatsgütern statt¬
finden. Es gelang ihm sogar, das Kammergut durch einige Er¬
werbungen zu vergrößern: 1803 erwarb er die Klöster St. Lndgeri
und Gandersheim nebst Klus und Brunshausen, sowie in der Stadt
die Stifter St. Blasii und St. Eyriaci. Der bisher den welfischen
Linien gemeinsame Harz wurde so geteilt, daß Hannover 4/7, näm¬
lich Zellerfeld, Grund, Wildemann, Lautenthal, Braunschweig aber
%, meist wertvollen Wald, erhielt. Der Unterharz, die Bergwerke im
Rammelsberge, Silber- und Eisenhütten, sowie die Saline Juliushall,
blieb unter der Bezeichnung „Kommunionharz" Gesamtbesitz der beiden
Linien.
Die Stellung Karl Wilhelm Ferdinands als preußischer Ober¬
feldherr 1792 in Frankreich und seinen Heldentod 1806 in Thüringen
S. S. 113 und S. 118.
XXXIV. Die französische Revolution 1789.
1. Die Vorboten. Inzwischen waren durch bedeutsame Erfindungen
Bildung und Wohlstand bedeutend gefördert worden: genaue Berechnung
des Laufes der Gestirne und Auffindung immer neuer Himmelskörper