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ein; vom Schloßfenster aus sah er thränenden Auges den Leichenzug
des Vaters.
In den drei Monaten, die ihm Gott noch vergönnte, war er ein
leuchtendes Vorbild der Geduld und Standhaftigkeit im Ertragen von
Schmerzen, der Pflichttreue und Gewissenhaftigkeit. Seinem Sohne
Wilhelm, unserem Kaiser, schrieb er die Mahnung auf: „Lerne leiden,
ohne zu klagen"; seiner Tochter Margarete wünschte er an ihrem Ge¬
burtstage: „Bleibe fromm und gut, wie du bisher gewesen bist." Am
1888 1 5. Juni starb der edle Dulder im Neuen Palais, in welchem er auch
geboren war. Uns allen hat er die Mahnung hinterlassen: „Thue
deine Pflicht zu allen Stunden, in Leid und Siechtum, in Not und
Tod, zu jeder Zeit" (Deutsche Jugend 4, Die Wasserrosen des Kaisers.
6, Kaiser Friedrichs letzte Fahrt. Aus dem Leben des Kaisers Friedrich).
2. Kaiser Wilhelm II. a. Die Jugendzeit. Der 27. Ja¬
nuar ist sein Geburtstag, 1859 das Geburtsjahr. Als dem Vater
Friedrich Wilhelm zur Geburt des ersten Sohnes Glück gewünscht wurde,
sprach er: „Wenn Gott meinem Sohne das Leben erhält, so will ich
ihn in den Gesinnungen und Gefühlen erziehen, die mich an das Vater¬
land ketten." Im Neuen Palais bei Potsdam verlebte er mit seinen
Geschwistern eine fröhliche Jugendzeit. Er wurde von tüchtigen Lehrern
unterrichtet, lernte reiten, fechten, schwimmen und rudern und trat mit
dem 10. Jahre als Offizier in das Heer. Nach seiner Konfirmation
besuchte er 3 Jahre das Gymnasium zu Kassel, besorgte dort willig in
der Schule kleine Dienste, war gegen seine Mitschüler freundlich und
gefällig und bestand die Abgangsprüfung in ehrenvoller Weise. 1877 trat
er als Offizier ins Heer und war mit Leib und Seele Soldat wie sein
Großvater. „Nun gehe hin und thue deine Pflicht, wie sie dir gelehrt
werden wird. Gott sei mit dir," hatte dieser zu ihm gesagt. Er that
denn auch pünktlich und gewissenhaft seine Schuldigkeit; auch das Wohl
seiner Soldaten lag ihm sehr am Herzen (Deutsche Jugend 4, Vom
Kaiser Wilhelm II.). Im Jahre 1879 besuchte er dann die Hochschule
zu Bonn am Rhein, lernte hier fleißig und erwarb sich diejenigen Kennt¬
nisse, die ein Herrscher nötig hat.
b. Familienleben. Der Kaiser Wilhelm ist mit der Pritv
zessin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein vermählt, die sich schon
als junge Prinzessin durch Einfachheit unb Frömmigkeit, Anmut und
Güte alle Herzen gewonnen hatte (Deutsche Jugenb 2, Wohlzuthun
unb mitzuteilen vergesset nicht). Bei ihrer Trauung bestand sie darauf,
daß auch der Vers gesungen werde: „Soll's uns hart ergehen, laß uns
feste stehen und auch in den schwersten Tagen niemals über Lasten