Full text: Vaterländische Geschichtsbilder für die mittleren Bürgerschulen des Herzogtums Braunschweig

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Schrift zu lesen, noch nicht gefühlt wurde. Der Katechismus sowie ein¬ 
zelne Kirchenlieder wurden wohl überall eingeprägt. Herzog August 
ordnete an, daß in sämtlichen Dörfern Lehrer als Opferleute ange¬ 
nommen werden und alle Kinder so viele Jahre im Winter zur Schule 
gehen sollten, bis sie den Katechismus und gedruckte Schrift lesen 
könnten. Im Sommer sollte am Sonntage vor und nach dem Gottes¬ 
dienste Unterricht stattfinden. Trotzdem gelangte das Volksschulwesen 
noch nicht zur Blüte, denn es mangelte an geeigneten Lehrern, und die 
Bevölkerung verhielt sich der geistigen Bildung ihrer Kinder gegenüber 
sehr gleichgültig. 
Was die hohen Schulen betrifft, so bestanden in der Stadt 
Braunschweig (außer den beiden Gymnasien Martinenm und Katharinenm 
noch zwei Schreibschulen) und in Wolsenbüttel, Helmstedt, Gandersheim, 
Schöningen und Blankenburg „große Schulen", welche der Hauptsache 
nach Lateinschulen waren. 
6. Die Eroberung der Stadt 1671. Augusts Nachfolger, Rudolf 
August und Anton Ulrich (1666—1714), welche zusammen regierten, 
konnten endlich die Unterwerfung der einst so stolzen Stadt durchsetzen. 
1671 Als die vereinigten Welsen 1671 mit 20000 Mann heranrückten, hatte 
Braunschweig nur eine Besatzung von 220 Mann, die Zeughäuser 
standen leer, an Munition fehlte es. 
Nicht eine Spur von einem Aufschwung der alten kriegerischen Ge¬ 
sinnung war zu finden. Bei der inneren Zwietracht war die Verteidi¬ 
gung nur matt, Hilfe von außen nicht zu hoffen, nnd so ergaben 
sich die stolzen Bürger, welche mehr als 300 Jahre ihren Herzögen ge¬ 
trotzt hatten. Am 15. Juli erfolgte die Huldigung. Der Herzog über¬ 
nahm das städtische Finanzwesen. Der Rat, der von 31 Mitgliedern 
auf 4 Bürgermeister, 4 Kämmerer und 8 Ratsherren herabgesetzt wurde, 
behielt nur die Verwaltung des kleinen Schatzes und die niedere Ge¬ 
richtsbarkeit in weltlichen Sachen. Der Herzog übernahm selbst die 
höhere Gerichtsbarkeit, nachdem er an die Stelle des Sachsenrechtes das 
römische Recht gesetzt hatte. Die geistliche Gerichtsbarkeit übte das 
Herzogl. Konsistorium. Was von Gütern die verarmte Stadt noch be¬ 
halten hatte, wurde von dem Sieger eingezogen. So wurde Braun¬ 
schweig aus einer Stadt, die an Reichtum vielen Herzögen überlegen war, 
ein armes Gemeinwesen, das ganz von Steuern erhalten werden mußte. 
1640-1688 
XXVII. Der große Kurfürst Friedrich Wilhelm I. 
1640-1688. 
1. Vorgeschichte der Mark Brandenburg. Wir haben gesehen 
(S. 35), daß die Mark Brandenburg unter Albrecht dem Bären schon 
eine bedeutende Stellung einnahm, daß aber nach dem Aussterben seiner 
Familie trauriger Verfall eintrat und erst durch die Einsetzung der Hohen- 
zollern die Lage des 1356 zum Kurfürstentum erhobenen Landes eine 
bessere wurde (S. S. 52).
	        
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