Full text: Die Weltgeschichte in übersichtlicher Darstellung

176 Das Mittelalter. §. 255. 256. 
stättersees in die Gewalt der Eidgenossenschaft, der sich bald auch Bern 
(1339), Zürich (1351), Zug u. a. O. anschlössen. In der Schlacht von 
1386. Sempach (§. 261) bestanden die Eidgenossen, wie einst die athenischen 
Demokraten bei Marathon, die Feuerprobe wider den österreichischen und 
deutschen Nitteradel und bewiesen, daß sie der Freiheit würdig seien. 
3. Philipp der Schöne von Frankreich und Kaiser Ludwin der Gayer. 
§ 255. Der herrschsüchtige Bonifacius VIII., in dem das Papst- 
thum seinen höchsten Glanz erreichte, führte zugleich dessen Verfall herbei. 
Er warf sich in einem Kriege Philipps (IV.) des Schönen von Frankreich 
gegen Eduard I. von England zum Schiedsrichter auf und verbot, als Philipp 
seine Einmischung ablehnte und dem Klerus Abgaben auflegte, die Besteuerung 
der französischen Geistlichkeit. Da untersagte Philipp jede Ausfuhr von Silber 
und Gold aus seinem Reich und hinderte so den Bezug der päpstlichen Ein- 
fünfte Der dadurch herbeigeführte Streit, in dem Bonifacius Jeden für 
einen Ketzer erklärte, der nicht glaube, daß der König in geistlichen wie 
1302. weltlichen Dingen dem Papste unterthan sei, Philipp aber durch seine Stand e 
die Unabhängigkeit der Königsmacht feierlich aussprechen ließ, endigte mit 
dem Bannfluche und Jnterdict, worauf sich der französische Kanzler 
Nogaret nach Italien begab, Bewaffnete in Sold nahm und in Verbindung 
mit der Ghibellinenfamilie'Colonna und andern unzufriedenen Edelleuten den 
Papst in seinem Geburtsort Anagni überfiel und gefangen hielt. Zwar 
wurde Bonifacius durch das herbeiströmende Landvolk befreit und eilte nach 
Rom, aber der Eindruck, den die Schmach auf den stolzen, leidenschaftlichen 
1303. Mann machte, war so gewaltig, daß er in Raserei verfiel und starb. Nun 
wußte es die französische Partei dahin zu bringen, daß nicht nur der Bann¬ 
fluch gegen Philipp zurückgenommen wurde, sondern sogar der neue Papst 
1305. Clemens V. (bisher Bischof von Bordeaux) seinen Sitz zu Avignon im süd- 
lichen Frankreich nahm und dadurch das Papstthum unter den Ein- 
flußdes französischen Hofs st ellte. Gegen siebzig Jahre dauerte diese 
als zweite babylonische Gefangenschaft beklagte Entfernung der oberste? 
Kirchengewalt von Rom. 
§. 256. Die Aufhebung des Tempelordens (§. 227, b) war die nächste 
Folge des Bundes zwischen dem Papst und dem französischen König. Dunkle 
Gerüchte von gotteslästerlichen Gebräuchen, von geheimen Verbrechen und 
Lastern, von Unglauben und Wollust, deren sich der Orden schuldig gemacht, 
gaben Philipp dem Schönen den Vorwand, bie Tempelherren plötzlich ver¬ 
haften zu lassen unb ihre reichen Güter mit Beschlag zu belegen. Durch ein 
sechsjähriges ungerechtes Gerichtsverfahren unb burch furchtbare Folterqualen 
würben alsdann die Gefangenen zu Gestänbnissen gebracht, bie ihre Schulb zu 
beweisen schienen; unb als 54 derselben ihre burch bie Torturen erpreßten 
1810. Aussagen als unwahr wiberriesen, würben sie als Rückfällige zu einem lang¬ 
samen'Flammentob verurtheilt. Umsonst protestirte ber Großmeister Jacob 
von Dtolay gegen ein solches Verfahren unb erbot sich zur Wiberleaung aller 
ist*. Beschulbigungen-, auch er starb auf bem Scheiterhaufen, nachbem er ben Papst 
und den König vor einen höhern Richterstuhl geladen. Das Volk verehrte ihn 
i3i4. als Märtyrer und sah in dem bald darauf erfolgten Tod der beiden Oberhäupter 
ein Gottesgericht. Von den Gütern und Schätzen ber Tempelherren zog ber fran- 
zösische König bas Meiste ein, das in andern Ländern Gelegene fiel theils an 
die Johanniter, theils an bie Landesfürsten. So warb ber „Tempel" zerstört, 
von bem bie Wiebereroberung bes heiligen Grabes hatte ausgehen sollen.
	        
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