274 Die neue Zeit. §. 397. 
Kirche überging. Diese Sitte fand auch in England Nachahmung. Der 
Herzog von York, des Königs Bruder, trat öffentlich der römischen Kirche 
bei und' auch Karl war im Herzen Katholik, obschon er sich äußerlich zur eng- 
lischen Kirche hielt und erst bei seinem Tode seine wahre Ueberzeugung 
dadurch kund gab, daß er die katholischen Sterbesacramente nahm. Je mehr 
aber die Stuarts den Katholicismus begünstigten, desto schroffer beharrte das 
Volk bei dem Glauben der Väter. Es schrieb den Katholiken den Brand der 
Hauptstadt zu und verewigte diese Beschuldigung durch ein Denkmal: und um zu 
verhüten, daß die öffentlichen Stellen als Lohn des Neligionswechsels gebraucht 
würden, setzte das Parlament nach langen Kämpfen die Probe- und Prü- 
funqsacte (Testacte) durch, wonach nur Glieder der englischen Kirche 
und Bekenner des protestantischen Lehrbegriffes zum Eintritt in das Parlament 
und zu Aemtern und Militärstellen befähigt sein sollten. So lange Cla- 
rend on, der Geschichtschreiber der englischen „Rebellion", an der Spitze des 
Ministeriums stand, wurde der König noch einigermaßen in den Schranken 
der Mäßigung und Gesetzlichkeit gehalten; als dieser aber in Ungnade fiel 
und als Landesflüchtiger seine alten Tage in der Fremde beschließen mußte, 
erlaubte sich »vH Gewaltthätigkeiten, Willkür und Rechtsverletzungen aller Art. 
Ein aus talentvollen, aber grundsatzlosen Staatsmännern gebildetes Ministe- 
rium nach den Anfangsbuchstaben seiner Mitglieder von dem Volke bezeichnend 
Cabal-Minifterium genannt, leitete jetzt die Regierung nach dem Wunsche 
des Königs ohne Rücksicht auf Volksrechte und Ehre. Bestechung und Käuflich- 
fett verloren in den höheren Kreisen alles Schmachvolle, da der König selbst 
von Ludwig XIV. Jahrgelder bezog, um die Franzosen in ihrem Kriege gegen 
Holland zu unterstützen. Jetzt erhob sich ein neuer Kampf zwischen König und 
Parlament Denn je offener jener nach Unumschränktheit strebte, desto mehr 
suchte dieses die Volksrechte und Landesreligion zu schützen. Aus Besorgmß, 
die englische Kirche möchte unter einem katholischen König Gefahr laufen, ver¬ 
langte das Parlament die Ausschließung des Herzogs von York 
von der Thronfolge; und Karl sah sich wenigstens in so weit zur Nach- 
giebigkeit gezwungen, daß er seinen Bruder auf einige Zeit aus dem Lande 
schickte und ein neues Ministerium bildete, worin der geistreiche Graf von 
Shaftesbury, der aus des Königs Rath zur Volkspartei übergegangen war, 
den Vorsitz führte. Unter seiner Verwaltung trat die Habeascorpus-Acte, 
das heilige Gesetz für die persönliche Freiheit, ins Leben Nach diesem 
Gesetz darf Niemand in Haft gebracht werden, ohne daß ein schriftlicher Befehl, 
der Behörde die Gründe der Verhaftung angibt, nnd innerhalb drei Tagen 
soll der Gefangene vor den ordentlichen Richter kommen. Unter diesen par- 
lamentarischen Kämpfen bildeten sich die zwei politischen Parteien der Xovicö 
und Whigs, die noch heut zu Tage bestehen. Die Whigs betrachteten die 
Staatsverfassung als einen gegenseitigen Vertrag zwischen König und Nation 
und legten dieser, im Falle einer Verletzung, das Recht des thatigert 
Widerstandes bei; die Tories dagegen verwarfen den Grundsatz, daß die 
königliche Gewalt vom Volke ausgehe, und heischten von den Unterhalten 
einen leidenden Gehorsam. Während der letzten Regierungsjahre 
Karls II erlangten die Tories das Uebergewicht, indem der Hof eine von 
einigen nichtswürdigen Menschen angelegte Verschwörung gegen das Leben 
des Königs und seines Bruders benutzte, um die Häupter der Whigs zu 
vererben. Lord Rüssel und Algernon Sidney, zwei der edelsten uno 
angesehensten Männer, bluteten auf dem Schaffot; Shaftesbury floh nach 
Holland, der Herzog von York trat wieder in seine Rechte und Aevtter