Full text: Die Alte Geschichte (Theil 1)

niedergemäht und ich sogar genötigt, das trocknende Heu selbst mit 
umzuwenden und dasjenige als tot zu verspotten, was mir kurz vorher 
eine so lebendige Freude gemacht hatte. 
Diesen ihren Lehren kam, ohne es zu wissen, der Professor Morus 
zu Hilfe, ein ungemein sanfter und freundlicher Mann, den ich an 
dem Tische des Hofrats Ludwig kennen lernte und der mich sehr 
gefällig aufnahm, wenn ich mir die Freiheit ausbat, ihn zu besuchen. 
Indem ich mich nun bei ihm um das Altertum erkundigte, so verbarg 
ich ihm nicht, was mich unter den Neueren ergötzte; da er denn mit 
mehr Ruhe als Madame Böhme, was aber noch schlimmer war, mit 
mehr Gründlichkeit über solche Dinge sprach und mir anfangs zum 
größten Verdruß, nachher aber doch zum Erstaunen und zuletzt zur 
Erbauung die Augen öffnete. 
Hierzu kamen noch die Ieremiaden, mit denen uns Geliert in 
seinem Praktikum von der Poesie abzumahnen pflegte. Er wünschte 
nur prosaische Aufsätze und beurteilte auch diese immer zuerst. Die 
Verse betrachtete er nur als eine traurige Zugabe, und was das 
Schlimmste war, selbst meine Prose fand wenig Gnade vor seinen 
Augen; denn ich pflegte nach meiner alten Weise immer einen kleinen 
Roman zum Grunde zu legen, den ich in Briefen auszuführen lieble. 
Die Gegenstände waren leidenschaftlich, der Stil ging über die ge¬ 
wöhnliche Prose hinaus, und der Inhalt mochte freilich nicht sehr 
für eine tiefe Menschenkenntnis des Verfassers zeugen; und so war 
ich denn von unserem Lehrer sehr wenig begünstigt, obgleich er meine 
Arbeiten so gut als die der anderen genau durchsah, mit roter Tinte 
korrigierte und hie und da eine sittliche Anmerkung hinzufügte. Mehrere 
Blätter dieser Art, welche ich lange Zeit mit Vergnügen bewahrte, 
sind leider endlich auch im Lauf der Jahre aus meinen Papieren 
verschwunden. 
Wenn ältere Personen recht pädagogisch verfahren wollten, so 
sollten sie einem jungen Manne etwas, was ihm Freude macht, es 
sei von welcher Art es wolle, weder verbieten noch verleiden, wenn 
sie nicht zu gleicher Zeit ihm etwas anderes dafür einzusetzen hätten 
oder unterzuschieben wüßten. Jedermann protestierte gegen meine 
Liebhabereien und Neigungen, und das, was man mir dagegen an¬ 
pries, lag teils so weit von mir ab, daß ich seine Vorzüge nicht 
erkennen konnte, oder es stand mir so nah, daß ich es eben nicht 
für besser hielt als das Gescholtene. Ich forderte einen Maßstab 
des Urteils und glaubte gewahr zu werden, daß ihn gar niemand 
besitze; denn keiner war mit dem anderen einig, selbst wenn sie Beispiele 
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