Full text: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Theil 3)

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rührerische Bürgerschaft int Namen des Kaisers wieder und wieder auf¬ 
fordern, die Waffen niederzulegen und dafür Gnade und Vergessenheit 
alles Geschehenen zu gewärtigen; vergebens ließ er sie wieder und 
wieder aufmerksam machen auf das unabwendbare Unglück, welches sie 
selbst durch hartnäckiges Beharren bei ihrer Widersetzlichkeit über ihre 
Stadt Herabrufen würde. Alle Worte des Friedens und der Versöhnung 
wurden trotzig zurückgewiesen; denn jeden Augenblick erwartete sie den 
ihr aber und abermals zugesicherten Beistand des Schwedenköniges. 
Da gelang es am Morgen des M: Mai 1631 einem von Pappen¬ 
heim befehligten Heerhaufen, welcher den Befehl des Oberfeldherrn 
mcht'abwartete, durch einen glücklichen Handstreich, den Wall der 
Festung zu übersteigen und ein Thor zu öffnen. Ein schweres Unge¬ 
witter entlud sich jetzt über die unglückliche Stadt. Falkenberg warf sich 
mit Gewalt den Eindringenden entgegen, aber eine Kugel streckte ihn zu 
Boden. Des Anführers Tod verbreitete Furcht und Entsetzen unter die 
Bürger. Bestürzt verließen sie die Mauern, um ihre Wohnungen zu 
vertheidigen, und es begann jetzt ein mörderischer Kampf in den Stra¬ 
ßen, in den Häusern. Die Bürger schossen aus den Fenstern, schleuder¬ 
ten die Dachziegel auf den eindringenden Feind und vermehrten so durch 
ihre hartnäckige Vertheidigung die Wuth der Sieger. Diese sprengten 
die Thüren, drangen in wilder Mordgier in das Innere und schonten 
weder des Säuglinges noch des Greises. Zugleich brach an mehren Stel¬ 
len Feuer aus und flog auf den Flügeln eines gleichzeitig sich erhebenden 
Sturmwindes schnell nach allen Richtungen hin. Bald stand die ganze 
Stadt in heller Lohe. In dieser Verwirrung überließ sich die Hefe des 
Tilly'schen Heeres, Croaten und Wallonen, ungezügelt jedwedem Gelüste 
der Rache. Außer denen, die"rn den Häusern verbrannten, sollen über 
zwanzlgiausend Leichen theils begraben, theils in die Elbe geworfen wor¬ 
den sein. 
So lag denn, innerhalb zwölf Stunden, eine der blühendsten Städte 
Deutschlands in Schutt und Asche, mit Ausnahme eines Klosters, des 
Domes und etwa anderthalb hundert Hütten an der Elbe. Erst am 
dritten Tage, als die Straßen von Schutt und Leichen etwas gereiniget 
waren, hielt Tilly selbst seinen Einzug in die rauchenden blutbespritzten 
Trümmer und sah, nicht ohne Entsetzen, die gräuliche Verwüstung. Zeit¬ 
genossen, und zwar Protestanten sowohl als Katholiken, erzählen ein¬ 
stimmig, der greise Krieger sei beim Anblicke derselben in Thränen aus-
	        
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