In den ersten Zeiten pflegte die Kirche für gröbere Übertretungen
der göttlichen Gebote strenge Bußwerke anzuordnen, um die zeitlichen
Sündenstrafen abzubüßen. Zur Sühne des gegebenen Aergernisses wur¬
den für öffentliche Sünden auch öffentliche Bußwerke auferlegt. So
wurde den Büßern die Theilnahme an dem öffentlichen Gottesdienste
versagt; nur am Eingänge der Kirche durften sie stehen und in demüthi-
gem Bußkleide die Hereingehenden um ihre Fürbitte begehren. Eine
solche Bußübung währte oft mehre Jahre hindurch, wurde aber auch zu¬
weilen durch den Ablaß der Bischöfe gemildert. In Rücksicht auf den
besonderen Eifer der Büßer pflegten diese die durch die Kirchengesetze
vorgeschriebenen Bußübungen entweder abzukürzen oder in gute Werke
und fromme Uebungen zu verwandeln. So bot der Papst Urban II. auf
der Versammlung zu Clermont allen Kreuzfahrern einen vollkommenen
Ablaß an, d. h. er verordnete, daß Alle, die ihre Sünden mit wahrhaft
reuigem Gemüthe beichteten und an den Kreuzzügen Theil nähmen,
wegen der Gefahren und Mühseligkeiten, denen sie sich im Dienste der
Kirche aussetzten, von allen kirchlichen Strafen befreit sein sollten, welchen
sie sich sonst hätten unterwerfen müssen. Zweihundert Jahre später ward
auf der Kirchenversammlung zu Lyon dieser Ablaß auch aus jene ausge¬
dehnt, die, unfähig, dem Kreuzzuge in Person beizuwohnen, denselben
durch freiwillige Gaben an Geld unterstützten. Seit jener Zeit fingen
die Ablässe an, häufig zu werden. So oft man, sei es zur Erbauung
von Kirchen und Schulen, oder zum Türkenkriege, oder zu jedem anderen
mit der Religion nur in einiger Beziehung stehenden Unternehmen Geld
bedurfte, bot man dem Volke einen Ablaß an. Mit der Einsammlung
der Beiträge wurden von den Bischöfen eigene Prediger, gewöhnlich aus
dem einen oder dem andern Orden, beauftragt. — Hierüber war es
bereits zu manchen Klagen und Beschwerden gekommen. Hin und wie¬
der tauchte sogar der Zweifel auf, ob auch wohl immer das eingesam¬
melte Geld zu dem angekündigten Zwecke verwendet werde. Besonders
nachtheilig aber mußte es wirken, wenn Ablaßprediger selbst bei ihrem
ernsten Bußgeschäste sich Mißbräuche zu Schulden kommen ließen; wenn
sie in der Anpreisung des Ablasses das richtige Maß überschritten und
selbstsüchtige Zwecke verfolgten. Es gab damals nicht wenige Leute, die
eine ganz irrige Ansicht vom Ablasse hatten. Mancher gemeine Mann
hielt nach seiner sinnlicheren, roheren Denkungsart schon den eingekauf¬
ten Ablaßzettel für einen Nachlaß der Sündenschuld, ohne an das von
der Kirche ausdrücklich dabei vorgeschriebene Erforderniß der Buße und