Full text: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Theil 3)

— 7 — 
-ober Lehrsätze, die sich haupsächlich auf den Ablaß bezogen, an die 
Schloßkirche zu Wittenberg anschlagen ließ und alle Gelehrten auffor¬ 
derte, dieselben in einer öffentlichen Disputation zu prüfen. Das gab 
die zufällige Veranlassung zur Kirchentrennung, ohne daß Luther die¬ 
selbe bezweckt oder auch nur geahnt hätte. Denn er hatte seine Theses 
nicht als nnwidersprechliche Wahrheiten, sondern lediglich als Zweifel 
vorgebracht, auch ließ er das Wesen des Ablasses unangetastet und eiferte 
allein gegen den wirklichen oder vermeintlichen Mißbrauch desselben. 
Ebenso lag in dem öffentlichen Anschlagen dieser Theses nichts Auffallen¬ 
des ; denn das geschah gewöhnlich, wenn die Gelehrten sich zu einer Dis¬ 
putation herausforderten. 
Tetzel aber und mit ihm seine Ordensbrüder, die Dominikaner, 
wurden über die Kühnheit des Augustinermönchs höchst entrüstet. In 
Predigten und Schriften zogen sie mit heftigen Schmähungen gegen die 
Theses los, schalten den Verfasser ohne weiteres einen Ketzer und nah¬ 
men dabei die Wendung, daß ein Angriff auf den vom Papste angeord¬ 
neten Ablaß ein Angriff auf das Ansehen des Papstes und der Kirche 
selbst sei. Diese bitteren Ausfälle auf Luther's Rechtgläubigkeit reizten 
diesen zu einer noch heftigeren und bittereren Vertheidigung, bei welcher 
ihn seine Ordensbrüder, die Augustiner, welche ohnehin höchst eifersüchtig 
auf die Dominikaner waren, in Schriften und Predigten auf das Eifrigste 
unterstützten. So traten diese beiden Orden feindlich gegen einander in 
die Schranken, verloren aber im hitzigen Kampfe der Meinungen nur zu 
oft die Ruhe des Urtheiles sowohl als des Gemüthes. 
Was anfangs nur eine Angelegenheit der Gelehrten gewesen war, 
wurde auch bald Sache des Volkes. In Wittenberg und der ganzen 
Umgegend, wo die Augustiner zahlreich und beliebt waren, ergriffen die 
Meisten Luther's Partei. Aber nicht bloß in den engen Grenzen jenes 
Kurfürstenthums setzten sich die neuen Grundsätze fest, sie verbreiteten 
sich auch vermittelst der Buchdruckerkunst mit unglaublicher Schnelligkeit 
über ganz Deutschland und brachten eine allgemeine Bewegung im Volke 
hervor. Ein großer Theil war für Luther. Schon auf das bloße Gerücht, 
daß er sich gegen das kirchliche Ansehen auflehne, ergriffen Viele seine 
Partei, ohne einmal den Inhalt seiner neuen Lehre selbst zu kennen oder 
zu prüfen. Denn die vielen und heftigen Streitigkeiten der Päpste mit 
den Kaisern in der alten Zeit hatten unter dem deutschen Volke einen 
Keim von Unzufriedenheit zurückgelassen, der nur einer geringen Veran-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.