Full text: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Theil 3)

Fassung bedurfte, um in offene Feindseligkeit emporzuschießen. Dazu war 
in den letzten Jahren die öffentliche Stimmung durch häufige, aber frucht¬ 
lose Beschwerden über Geldspendungen an die päpstliche Schatzkammer 
erbittert worden. Der Ungebildete bezog Luther's Lehre auf die Verwei¬ 
gerung der den Bischöfen und Klöstern schuldigen Abgaben. Er glaubte 
in ihr das Recht zur Auflehnung gegen die Obrigkeit und jede ihm be¬ 
schwerliche Einrichtung zu finden, und nahm um so begieriger Partei für 
ihn. Von der Gegenpartei aber wurde Luther nicht bloß als Ketzer ge¬ 
scholten, sondern auch mit Vollziehung der auf Ketzerei gesetzten Strafe 
bedroht. Allein ihn schützte sein Landesherr, Friedrich der Weise. Wie 
sehr dieser auch der Religion seiner Väter zugethan war, so sollte doch 
Luther vor der näheren Untersuchung seiner Sache nicht die mindeste 
Unbilde erleiden. 
Der Papst hatte anfangs eine geringschätzende Meinung von der 
ganzen Angelegenheit. Er hielt sie für eine bloße Mönchszänkerei, die 
sich wohl bald wieder legen würde. Sobald er aber von der großen 
Bewegung hörte, die sie bereits veranlaßt hatte, ließ er Luther nach Nom 
fordern. Der Kurfürst mochte diesen Schritt für Luther gefährlich finden; 
denn er verwendete sich für ihn in einem dringenden Schreiben nach Rom 
und bewirkte endlich, daß er in Deutschland selbst vernommen wurde. 
s Zu Augsburg ward gerade ein Reichstag gehalten; der Papst trug des- 
seinem dortigen Bevollmächtigten, dem Kardinale Cajetan, auf, 
nsr die Sache zu untersuchen und beizulegen. Im Oktober 1518 langte 
Luther, mit gehörigem Empfehlungsschreiben von seinem Landesherrn 
versehen, zu Augsburg an und wurde, gegen seine Erwartung, vom 
Kardinale auf das Liebreichste empfangen. Als Freund, sagte dieser, 
wolle er ihn ermahnen, seinen Irrthümern zu entsagen; als Vater sei 
er bereit, ihn als reuigen Sohn unter seine Obhut zu nehmen. Als 
Luther aber mit Heftigkeit Gründe und Beweise aus der heiligen Schrift 
verlangte, wurde der Kardinal höchst unwillig. Denn er mochte fest er¬ 
wartet haben, daß der vielfach Verklagte von der ihm angebotenen Milde 
und Gnade des Papstes sofort Gebrauch machen und reuig widerrufen 
würde; sein jetziges Benehmen aber erschien ihm nur als eine halsstarrige 
Verstocktheit. Darum entließ er ihn finster mit der Weisung, daß er 
nicht anders als zum Widerrufe vor ihm erscheinen solle. Einige Tage 
nachher schrieb Luther, den die Hitze gereuete, mit welcher er aufgetreten 
war, dem Kardinale einen Brief, in welchem er seine Reue ausdrückte
	        
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