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Dritte Theilung Polens (1795). — Seit dem zweiten Un¬
glücksschlage ging eine dumpfe Gährnng durch das ganze Volk der Polen.
Zu spät sah jetzt die Conföderation von Targowicz ihr Vergehen am
Vaterlande ein und wandte sich mit Abscheu von den Russen weg. Bald
erhob sich die ganze Nation zu einem verzweifelten Kampfe. Junge und
Alte, Arme und Reiche, selbst Weiber und Kinder brachten wetteifernd
ihre Opfer auf den Altar des schwer betroffenen Vaterlandes. Mada-
li nski undKos cius z ko stellten sich an die Spitze der Bewaffnung, und
das Häuflein der Polen focht unter seinen hochherzigen Führern gegen die
übermächtigen Russen und Preußen den letzten Kampf der Verzweiflung.
Zwar ward mancher herrliche Sieg von den Polen errungen; jedoch am
Ende verließ sie das Glück in dem allzu ungleichen Kampfe. Am 10. Ok¬
tober 1794 erfocht der russische Feldherr Suw ar o w einen blutigen Sieg
beiMaciejowice. Koscinszko wurde verwundet und gefangen; er sank
mit dem Schmerzensrnfe: „Finis Poloniae!“ (Polens Ende) von
Kampf und Wunden erschöpft zu Boden. Nach diesem Siege stürmte
Suwarow Praga, die Vorstadt von Warschau, und zwölftausend Ein¬
wohner fielen als Opfer der Wuth der Sieger. Wenige Tage später
ergab sich auch Warschau. Nun war Polens Schicksal entschieden, sein
Ende gekommen. Damit aber nicht Rußland und Preußen allein in den
Rest des Landes sich theilten, ließ auch Oesterreich Truppen einrücken
und vereinigte sich mit den beiden andern zu einer dritten und letzten
Theilung. Oesterreich erhielt das zwischen der Weichsel und dem Bug
gelegene Gebiet (West- oder Neugalizien) mit der Hauptstadt Krakau;
Preußen das zwischen dem Niemen und der Weichsel gelegene Gebiet
mit der Hauptstadt Warschau; alles übrige östlich vom Niemen und Bug
gelegene Land kam an Rußland. Der schwache polnische König Stanis¬
laus Po niatowski lebte noch drei Jahre als Privatmann von einem
Jahrgehalte in Petersburg. Kosciuszko ward ehrenvoll in Freiheit
gesetzt, bereitete dann Amerika, England und zuletzt die Schweiz, wo er
im Jahre 1817 sein Leben in ländlicher Stille beschloß. Sein Leich¬
nam wurde nach Krakau geführt und in der Grabstätte der Könige
beigesetzt.
So schwand im Jahre 1795 das einst so blühende Polen, früher die
kräftige europäische Vormauer gegen die anstürmenden Völker des Ostens,
aus der Reihe der selbständigen Staaten.