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e) Freytag an Treitschke.
„Siebleben 9. Sept. 66.
Lieber Freund!
. . Das Spiel liegt nicht ungünstig. Was Sachsen selbst betrifft, so ist Hin¬
ziehen und Zeitgewinnen Alles. In entern halben Jahr ist, was irgend wählbar wäre,
in der großen Majorität von der Nothwendigkeit einer Trennung überzeugt und
wünscht nicht mehr die Rückkehr der Wettiner. Schon jetzt ist die Zahl derer, welche
Verstand gegen Empfindung balanciren, sehr groß. Der Sachse hat rechnen gelernt.
Freilich ist die größere Schwierigkeit die europäische Konstellation. Die
können wir nicht dirigiren. Leider auch nicht die Berliner, welche das letzte Wort
zu sprechen haben ... .
Sobald jetzt ein Stillstand in den Berliner Verhandlungen mit Komg Johann
eingetreten ist, muß eine Änderung in der sächsischen Verwaltung eingeführt werden.
Ein höherer Beamter von größter Energie nach Dresden als Vicestatthalter
geschickt, die Landescommission ausgelöst, die Beamten durch Reserve verpflichtet,
die officielle Stellung und die Personen der Leipziger uud Dresdner Zeitung
geändert und daraus die Regierung fest angepackt werden. Dazu eine Verordnung
über gleichmäßige Vertheilung der Kriegslasten (wozu die Überschüsse der Einnahmen,
Etat des königlichen Hauses und der Gesandten verwendet werden), ferner Restitu¬
tion des Wahlgesetzes von 1848 und der betreffenden Verfafsungsparagrapheu.
Dann erst wird die Maschine in Gang kommen.
IMerdeß stellt sich dem Ausland gegenüber Preußen auf den Prager Frieden
und bedauert die Nothwendigkeit eines ferneren Jnterimisticums. Im Übrigen
muß das Parlament zu Hilfe genommen werden. Dazu fordert Preußen von
Oestreich Entlassung des sächsischen Heeres. Denn dieser Status ist völkerrechtlich
unleidlich und eine Barbarei für die 20,000 Bewohner des Bundesstaats, deren
Familieugefühle Preußen jetzt zu protegieren hat ..."
(Gustav Freytag und Heinrich von Treitschke im Briefwechsel, Leipzig, 1899. Hirzel.)
14. Sorge für die Verwundeten in Leipzig. Juni u. Juli 1866.
a) „Leipzig, 30. Juni. Eine große Anzahl der bekanntesten und ge-
achtetsten Bürger unserer Stadt, welche unlängst zu Spenden von Geldbeiträgen
und Gaben an Charpie und Verbandstücken einen öffentlichen Aufruf erlassen, hat
jetzt, in der Absicht, den Gefahren und Leiden, deren Abwendung und Linderung
bezweckt wird, wohlvorbereitet entgegen zu treten, ein Comitö bestellt, dessen
Gefammtanfgabe die Unterstützung im Kriege Verwundeter und durch Leuchen
Heimgesuchter ist. Zu diesem Zwecke ist eilte finanzielle, eine ärztliche und eine
ausführende Section gebildet worden, und die Geschäftsführung des Comitäs wendet
sich nun wiederholt an die Einwohnerschaft Leipzigs mit der Bitte um Spenden
der obgedachten Art, welche für die Tage der Noth aufbewahrt werden sollen.
Die Hilfe, welche geschasst werden soll, wird sich überhaupt der von den Sanitäts¬
behörden ausgehenden anschließen, und es ist kein Zweifel, daß eine solche wohl-
organisirte Privathilfe in etwaigen Kriegsnöthen leicht sich glänzend und segens¬
reich bewähren könnte."
b) „Neben dem bereits erwähnten Comitö zur Unterstützung im Kriege
Verwundeter und durch Seuchen Heimgesuchter hat sich zur Verfolgung der gleichen
menschenfreundlichen Ziele ein Frauenverein gebildet, welcher bei Einrichtung der
Lazarethe für Verwundete dem Männeroerein und namentlich den dirigirenden
Aerzten in denjenigen Dingen, welche ins Bereich der weiblichen Sorge und Arbeit