Full text: Für die mittleren (beziehungsw. oberen) Klassen (Band 2, [Schülerband])

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(Kaiser Max auf der Martinswand von Anastasius Grün — Graf Auersperg.) : 
Vergl. ferner Nr. 30. 53. 59. 
Beide Strophen bestehen aus vier Versen, die sich durch eine Cäsur in je zwei 
Halbverse teilen; beide haben gepaarte, in der Regel stumpfe Reime. Sie unter¬ 
scheiden sich aber in Folgendem: 
1. Bei der alten Nibelungenstrophe werden nur die Hebungen gezählt; die 
Senkungen aber kommen gar nicht in Betracht; darum können zwei Hebungen un¬ 
mittelbar aufeinanderfolgen. Bei der neuen Nibelungenstrophe darf letzteres nicht der 
Fall sein, sondern es müssen die Hebungen mit Senkungen (eine oder zwei) wechseln. 
2. Der letzte Halbvers der alten Nibelungenstrophe hat vier Hebungen, wäh¬ 
rend er bei der modernen auch nur drei zählt. 
Sinnt. 1. Auch neuere Dichter wenden die alte Form der Nibelungenstrophe an; 
sei es, daß sie bloß dem letzten Halbvers vier Hebungen geben'), oder 
daß sie auf die Senkungen nicht achten 9). 
') Nr. 65: „lsie Welf." 
2) „Sigurds Brautfahrt" von Cmanuel Geibel. 
2. Im Gudrunlied (Kudrunlied), welckes ziemlich gleichzeitig mit dem 
Nibelungenliede entstund, ist der letzte Halbvers zu fünf Hebungen 
erweitert worden. Man nennt diese Strophe die Gudrunstrophe. 
2. Der Hildebrandston ist der Nibelungenstrophe sehr ähnlich; 
er ist die in acht Verse ausgelöste moderne Nibelungenstrophe, jedoch gewöhn¬ 
lich mit rein jambischem Versmaß. 
Vergl. Nr. 73: Das Mahl zu Heidelberg. 
Auch dem Versbau der Gedichte Nr. 52, 58 u. a. liegt der Hildebrandston 
zugrunde. Nur sind aus je einer Strophe zwei gebildet. In Nr. 30 und 59 waltet 
wegen des rein jambischen Maßes auch mehr die Weise des Hildebrandstons als die 
Form der Nibelungenstrophe vor; nur fehlt der Reim bei der Cäsur. 
8 16. In die deutsche Sprache sind auch mehrere fremde Strophen 
eingebürgert worden, namentlich aus dem Italienischen und Franzö¬ 
sischen (romanische Dichtungsformen), sodann aus den orientalischen 
und antiken Sprachen. 
Die wichtigsten Dichtungssormen aus dem Italienischen sind: die 
Oktave (Stanze), die Terzine, das Sonett, die Siziliane, das 
Ritornell und die Canzone. 
1. Die Oktave (Stanze) (Nr. 172) besteht aus acht fünffüßigen jam¬ 
bischen Versen mit folgender Reimordnung: abababcc. 
Die italienischen Meister der Stanze sind: Ariost (der rasende Roland) und 
Torquato Tasso (das befreite Jerusalem). Deutsche Dichter: Rückert, Platen, 
Wieland (Oberon), Ernst Schulze (bezauberte Rose), Schiller und Goethe. 
Die deutschen Dichter gestatten sich manche Abweichungen von der strengen 
Form durch andere Reimstellung z. B. Wieland im „Oberon". 
2. In der Terzine (Nr. 16) sind je drei fünffüßige Verse durch eine 
eigentütnliche Reimordnung kettenartig verbunden. Es reimen sich nämlich
	        
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