Full text: Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

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in Aller Herzen zurück. Alle drangen wieder rastlos vorwärts, 
selbst Kranke, selbst Weiber ergriffen die Waffen. Die mit 
Stroh und Wolle gefüllten Säcke, welche die Belagerten zum 
Schutze der Mauern aufgehängt hatten, um die Stöße der feind- 
lichen Mauerbrecher zu schwächen, wurden mit flammenden Pfei- 
len in Brand geschossen. Der Nordwind trieb mit Heftigkeit 
den Rauch und die Flammen gegen die Stadt, und geblendet, 
fast erstickt wichen die Vertheidiger. Schnell benutzte Gottfried 
von Bouillon diesen günstigen Augenblick und ließ von seinem 
Thurme die Fallbrücke nieder. Ihr anderes Ende erreichte glück- 
lich die Mauer und bahnte so den Belagerern den luftigen 
Weg. Und sogleich stürmten Alle, welche im Thurme sind, Gott- 
fried an der Spitze, über die Brücke auf die Mauer. Ganze 
Scharen eilen ihnen von unten herauf über die Brücke nach; 
noch Andere erklimmen auf Sturmleitern die Mauer. Sie 
eilen nach den Stadtthoren, hauen die Wächter nieder, sprengen 
die Thore auf, und unaufhaltsam wälzt sich der ganze Strom 
der Kreuzfahrer unter dem lauten Rufe: „Gott will es! 
Gott hilft uns!" in die offene Stadt. In allen Straßen 
erschallt ein brüllendes Siegesgeschrei, in das sich das Angst- 
geheul der Ueberwundenen und das Aechzen der Sterbenden 
mischt. Zehntausend Saracenen waren von den Straßen in 
einen Tempel geflüchtet. Dorthin stürmten die Pilger. „Alle 
sind Frevler," riefen sie, „Alle Heiligthumsschänder, Keiner 
werde verschont!" Und man metzelte, bis das Blut die Trep- 
pen des Tempels hinabrieselte, bis der Dunst der Leichname 
die Sieger betäubte und forttrieb. Von dem Tempel eilte man 
nach der Synagoge, in welche sich die Juden geflüchtet hatten; 
diese wurden mit Weib und Kind lebendig in derselben ver¬ 
brannt. Dann theilten sich die Kreuzfahrer in kleinere Raub¬ 
horden. Kein Haus blieb unerbrochen. Die Unglücklichen wur- 
den aus ihren Schlupfwinkeln hervorgeholt und grausam zu 
Tode gemartert. Viele wurden aus den Fenstern geworfen, 
Anderen lebendig die Bäuche aufgeschnitten, um zu sehen, ob 
sie nicht Gold oder andere Kostbarkeiten der Rettung wegen
	        
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