Lykurg und Solon. 161
das vergaßen, was sie eben unter Händen hatten; denn statt auf die Lakebämonier
zu sehen, welche jetzt eindrangen, sahen sie auf die fliehenden Arkadier; einige flehten,
sie mochten bleiben, andere stießen Schmähungen gegen sie aus als gegen Verräter
und Treulose. Deu Lakedäinoniern wurde nun die Uinringnng der verlassenen
Messenier nicht schwer, und sie gewannen einen fertigen Sieg ohne die allermindeste
Anstrengung. Aristomenes unb sein Gefolge blieben zwar beisammen und bemühten
sich, bie am hitzigsten angreifenben Lakebämonier zurückzubrängen; boch ba ihrer nur
wenige waren, konnten sie nicht viel ausrichten. Von beut gemeinen Volke ber
Messenier kam eine solche Menge um, baß sie, bie anfänglich geglaubt hatten, sie
würben ans Sklaven bie Herren' ber Lakebämonier werben, nun nicht einmal
bie Hoffuuug auf Rettung behielten. Auch von ben angesehensten blieben mehrere,
namentlich Anbrokles unb Phintas unb nach ganz befonbers ausgezeichnetem Kampfe
Phanas, ber früher in Olympia einen Sieg errungen hatte.
Nach ber Schlacht sammelte Aristomenes bie entronnenen Messenier unb ßerebete
sie, Anbania unb bie übrigen ©täbtchen bes Binnenlanbes zu verlassen unb sich auf
betn Berge Jra anzubauen. Als sie au biesem Orte zusammengebracht waren,
belagerten bie Lakebämonier sie in ber Erwartung, sie würben biefelben alsbalb zur
Übergabe zwingen. Dennoch wiberstanben bie Messenier unb hielten sich noch elf Jahre
nach bem Unglück am großen Graben. Daß bie Belagerung so lange gebauert habe,
geht aus folgenben Versen auf bie Lakebämonier hervor:
Um bes weißen Gebirgs Thalschluchten im Lager versammelt,
Sahen sie Winter unb Gras abwechseln zwanzig unb zwei mal.
Als bie Messenier, vom übrigen Lanbe ausgeschlossen, auf ben Jra beschränkt waren,
pliiuberten sie bas lakonische unb ihr eigenes Laub, inbem sie auch bieses schon als
seinbliches betrachteten. Zu den Streifzügen traten, wie es sich eben fügte, auch andere
zusammen; Aristomenes aber hatte sein Gefolge von Auserlesenen bis auf dreihundert
gebracht. Sie beraubten und plünderten das lakedämonische Gebiet, so weit es jeder
nur imstande war; was sie an Getreide, Vieh und Wein erbeuten konnten, verzehrten
sie selbst; Gerätschaften und Menschen gaben sie für Geld zurück, so daß die Lakedä-
monier den Beschluß faßten, Messenien und die anstoßenden Gegenden Lakoniens
unangebaut zu lassen, da sie ja das Land mehr für die in Jra als für sich selbst
bestellten. Daraus erfolgte in Sparta Getreibemangel unb ans bem Getreibemangel
Unruhen; beitn bie, welche bort ihre Besitzungen hatten, wollten nicht zugeben, baß
biefelben brach liegen blieben. Auch biefe Uneinigkeit stillte Tyrtäus.
Aristomenes machte einst mit seinem Gefolge spät am Abenb einen Ausfall; in
größter (Site legte er noch vor Sonnenaufgang ben Weg nach Amyklä zurück, eroberte
unb pliinberte bas ©täbtchen unb bewerkstelligte ben Rückzug, bevor noch bie aus
Sparta zuhülseeilen konnten. Auch später machte er Streifzüge burch bas Laub,
bis er auf mehr als bie Hälfte bes lafebämonifchen Heeres mit beiben Königen stieß.
Im Kampfe erhielt er mehrere Wunben unb würbe auch mit einem Stein so an ben
Kopf getroffen, baß ihm schwarz vor ben Augen würbe; auf ben Fallenben stürzten
sich in Scharen bie Lakebämonier unb nahmen ihn leknbig gefangen; auch von feinem
Gefolge gerieten gegen fünfzig in Gefangenschaft. Über biefe fällten bie Lakebä¬
monier bas Urteil, sie sämtlich in ben Keabas zu stürzen; in biesen werfen sie bie,
welche sie wegen ber größten Verbrechen bestrafen wollen. Die anberen hinabgestürzten
Messenier kamen augenblicklich um; beit Aristomenes bagegen schützte wie bei anderen
Gelegenheiten so auch jetzt einer der Götter. Als er auf den Grund des Schlundes
gekommen war, legte er sich nieder, zog den Mantel um sich und wartete, in der
sichern Überzeugung des bevorstehenden Todes. Am dritten Tag nachher hörte er
ein Geräusch; nachdem er seinen Mantel zurückgeschlagen — schon konnte er im
Dunkeln sehen —, bemerkte er, daß es ein Fuchs sei, der an den Leichnamen fraß.
In der Vermutung, das Tier müsse irgendwo einen Eingang haben, wartete er ab,
bis der Fuchs in seine Nähe kam; als dies geschah, faßte er ihn. So oft er sich
umdrehte, hielt er ihm mit der andern Hand den Mantel vor und ließ ihn hinein-
beißen; wenn er lief, lief er meistens mit ihm; wo ber Weg sehr schwierig war, ließ
er sich von ihm ziehen. Enblich bemerkte er eine Öffnungbie für ben Fuchs groß
Maurer, Geschichte. I. 11