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. Angesichts dieser und anderer Mißerfolge, welche der Kaiser durch
seine äußere Politik erlebte, könnte vielleicht die Bedeutung Josephs II.
als gering erscheinen. Aber sehr mit Unrecht; denn wenn auch seine
Leistungen auf den Kriegesschauplätzen kaum nennenswert sind, so ist
doch die Wichtigkeit, die er für das innere Staatsleben erlangte, eine so
große, daß er dadurch zu einer weltgeschichtlichen Persönlichkeit wurde.
_ Seit dem Anfange des achtzehnten Jahrhunderts brach sich nämlich
w den Hauptvölkern Europas, bei den Engländern, Franzosen und
Deutschen, eine geistige Strömung Bahn, welche man als die der Auf-
klärung benannte. Die wirklichen oder vermeintlichen Übelstände
m Staat, Kirche und Gesellschaft, vornehmlich auch in der Erziehung,
sollten entfernt und durch Neuerungen, welche man für vernunftgemäßer
ausgab, ersetzt werden. Allein dieser geistige Kampf gegen das Bestehende
hatte denselben Erfolg, wie so mancher andere; denn abgesehen von der
Heilung mancher unleugbaren Übelstände hat man vielfach nur Ver-
wirrung oder gar öde Leere geschaffen. Am verhängnisvollsten war das
für Staat und Kirche, da man oft rücksichtslos die Grundlagen des Be-
stehenden untergrub unb gar an die Stelle der geoffenbarten, göttlichen
Jtehgton, eine s. g. natürliche Religion, ein markloses Schattenwesen,
zu setzen sich bemühte. Einen solchen Geist atmeten zahlreiche Bücher
englischer, französischer und deutscher Schriftsteller jener Zeit; Locke,
Hmnte, Voltaire, Rousseau u. a. gehörten zn ihnen.
Auch einzelne Regenten und Minister huldigten dieser Richtung; in
Österreich war der Hauptvertreter derselben eben der Kaiser Joseph II.
unb sein Minister Kaunitz. Staat, Kirche und Gesellschaft sollten im
Geiste der Aufklärung umgestaltet werden; das war das Lebensziel dieses
strebsamen Fürsten. — Fast vierzig Jahre war er alt, als der Tod seiner
kaiserlichen Mutter auch in den Erbstaaten das Ruder in seine Hände
legte. Bisher hatte er, hier fast nur ein Privatmann, sinnen und Pläne
schmieden können; jetzt, als er die Macht zum Handeln besaß, glaubte
er um so unverzüglicher davon Gebrauch machen zu sollen, als die Frist
vey ~et)cnS un^ Wirkens kurz und unberechenbar ist. Daher die hastige
ja die überstürzende Eile, womit Joseph II. in all seinen Maßnahmen
ju Werke ging; daher aber auch schließlich das Scheitern seiner meisten
Unternehmungen. —
Am einschneidendsten waren seine Umgestaltungen auf kirchlichem
Gebiete. Durch das Toleranzedikt (1781) wurde allen christlichen Kon-